Origami der Eiweißstoffe: TUM-Wissenschaftler bestimmen Naturkonstante der Proteinfaltung

10.04.2008

Innerhalb welcher Grenzen von Temperatur und Druck Proteine stabil sind, haben Biochemiker und Biophysiker des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der Technischen Universität München (TUM) systematisch bestimmt und dadurch erstmals eine "Naturkonstante" der Proteinfaltung ermittelt. Ähnlich wie die Elementarladung oder das Planck'sche Wirkungsquantum in der Physik wird die dabei entdeckte Gesetzmäßigkeit in den Biowissenschaften helfen, die dreidimensionale Struktur und Stabilität von Eiweißstoffen zu verstehen und vorherzusagen.

In einem Forschungsprojekt der Technischen Universität München haben der Physiker Prof. Josef Friedrich und der Biochemiker Prof. Arne Skerra zusammen mit ihren Mitarbeitern am Wissenschaftszentrum Weihenstephan grundlegend untersucht, unter welchen Temperatur- und Druckverhältnissen Proteine noch gefaltet sind. Dazu benutzten die TUM-Forscher eine Art Mini-Hochdruck-Schnellkochtopf, einen Diamanten mit einem winzigen Hohlraum von knapp einem halben Millimeter Durchmesser, in dem sich hohe Drücke einstellen und die Temperatur präzise verändern lassen. Als Untersuchungsobjekt diente ein Protein aus der Klasse der Anticaline, das in seiner kelchförmigen Tasche einen Farbstoff bindet. Entfaltet sich das Protein, wird der Farbstoff freigesetzt und beginnt zu fluoreszieren. Dieses Leuchten in dem winzigen Hohlraum des Diamanten konnten die Wissenschaftler mit einem hochempfindlichen Instrument messen.

Die systematischen Messreihen mit diesem maßgeschneiderten Modellsystem erlaubten fundamentale Einblicke in die Biophysik der Proteinfaltung: Durch mathematische Ableitungen, ausgehend von den Gesetzmäßigkeiten der Thermodynamik, bestimmten die TUM-Forscher erstmals die Naturkonstante der Proteinfaltung. Sie konnten beweisen, dass sich Proteine nicht nur bei hohen Temperaturen und Drücken, sondern auch bei negativen Temperaturen und - soweit erreichbar - "negativen Drücken" entfalten. Daraus ergab sich die Schlussfolgerung, dass Proteine ganz allgemein innerhalb eines ellipsenförmigen Bereichs des Druck/Temperatur-Diagramms gefaltet sind.

Auch wenn es schon aus früheren Untersuchungen entsprechende Hinweise gab, konnten die Weihenstephaner Wissenschaftler dieses biomolekulare Verhalten erstmals in allgemeiner Form bestätigen und vor allem eine theoretische Begründung dafür liefern, dass es sich zwangsläufig aus der physikalischen Natur der Proteine ergibt.

Langfristig, so glauben die TUM-Forscher, wird diese Entdeckung dabei helfen, das bislang in der Biochemie ungelöste Problem der Proteinfaltung zu knacken. Darüber hinaus ergeben sich mögliche praktische Anwendungen zum Beispiel bei der Stabilisierung von Waschmittel- oder Lebensmittelenzymen bei hohen oder niedrigen Temperaturen, oder bei der Behandlung von Proteinfaltungskrankheiten wie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, der Alzheimer-Erkrankung oder dem "Rinderwahnsinn" BSE.

Originalveröffentlichung: Johannes Wiedersich, Simone Köhler, Arne Skerra and Josef Friedrich: "Temperature and pressure dependence of protein stability: The engineered fluorescein-binding lipocalin FluA shows an elliptic phase diagram". Proceedings of the National Academy of Sciences USA 2008, Bd. 105, Heft 15, S. 5756-5761.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Kampf gegen Krebs: Neueste Entwicklungen und Fortschritte