Kleine Helfer im Genom koordinieren die Pflanzenabwehr

Max-Planck-Wissenschaftler heben den auf kleinen RNAs verborgenen "Wortschatz", der die Abwehr von Pflanzen gegen Schädlinge dirigiert

18.03.2008

Ribonukleinsäuren (RNA) spielen als sogenannte Boten-RNA eine wichtige Rolle bei der Übertragung genetischer Information - sie liefern die Bauanleitung für die Herstellung der Proteine in der Zelle. Inzwischen weiß man jedoch, dass kleine RNA-Moleküle (small RNA) auch vielfältige regulatorische Aufgaben übernehmen: Sie steuern Art und Verlauf der Gen-Ausprägung und damit Entwicklungsvorgänge in Tieren und Pflanzen. Dass small RNAs in Pflanzen auch eingebunden sind in die Abwehr gegen Fraßfeinde, haben Wissenschaftler um Ian Baldwin vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena erforscht. Die Wissenschaftler sequenzierten den gesamten konstitutiv vorhandenen Wortschatz an small RNAs von Tabakpflanzen und entschlüsselten mithilfe dieses "Wörterbuchs" den Beitrag der kleinen Moleküle bei der Abwehr von Schadinsekten durch die Pflanze.

Kleine 18 bis 26 Nukleotide lange RNA-Abschnitte, von den Wissenschaftlern "small RNAs" (smRNAs) genannt, spielen in Organismen ganz verschiedene Rollen. Für Pflanzen besonders wichtig ist ihre Funktion bei der Abwehr von Viren. Für die Entstehung vieler dieser kurzen RNA-Abschnitte in der Zelle sind RNA-abhängige RNA-Polymerasen (RdRs) zuständig. Gene, die für diese Art von Enzymen kodieren, haben Wissenschaftler bereits in mehreren Pflanzenspezies identifiziert. Mittels RNA-Interferenz können diese kleinen Moleküle bestimmte Gene quasi stumm schalten: Sie binden dabei an die komplementäre Basensequenz der Boten-RNA und verhindern somit deren Übersetzung in das Protein. Durch diese Interaktion können small RNAs den Ablauf ganzer Signalketten verändern.

Shree Pandey und Ian Baldwin wollten zunächst feststellen, ob diese RNA-Interferenz in Pflanzen bei der Abwehr von Fraßfeinden eine Rolle spielt und untersuchten dazu die entsprechenden RNA-Polymerasen aus Wildem Tabak (Nicotiana attenuata). Die chemischen Inhaltsstoffe von Raupenspeichel signalisieren den Pflanzen Schädlingsbefall. Bereits eine Stunde nach der Induktion von Pflanzen mit Raupenspeichel konnten die Pflanzenforscher eine um den Faktor zehn erhöhte Aktivität von einem der drei gefundenen Gene, die für RNA-Polymerasen kodieren, feststellen.

Gentechnisch veränderte Pflanzen, in denen die Aktivität dieses RdR1-Gens abgeschaltet war, waren gegen Insektenbefall nahezu wehrlos. Im Freiland wurden diese Pflanzen besonders von ihren beiden natürlichen Fraßfeinden Manduca sexta und Tupiocoris notatus stark befallen.

"Das bedeutet, dass RdR1 entscheidend zur Abwehr in Pflanzen nach Insektenbefall beiträgt", erklärt Ian Baldwin, Direktor am Max-Planck-Institut in Jena. Und wenn das Enzym in Aktion tritt, heißt das, dass auch small RNAs in die Regulation der Pflanzenabwehr eingebunden sein müssen. Nächstes Ziel der Forscher war daher, small RNAs in befallenen bzw. nicht befallenen Tabakpflanzen aufzusuchen, ihre Sequenz zu bestimmen und nachzusehen, wie diese kleinen Moleküle in die Abwehr der Pflanzen gegen Insektenfraß eingreifen.

Die Wissenschaftler sequenzierten mehr als 100.000 verschiedene smRNAs, die sie zuvor aus befallenen und nichtbefallenen Pflanzen isoliert hatten. Das Ergebnis: 43 Prozent der smRNAs, die sie in attackierten Pflanzen fanden, waren in den "gesunden" Pflanzen nicht vorhanden. Lediglich 1224 smRNAs tauchten in beiden Pflanzengruppen auf, allerdings in unterschiedlichen Mengen.

"Das Auftreten der vielen neuartigen smRNAs nach Raupenbefall korreliert dabei direkt mit dem rund zehnfachen Anstieg der Expression des RdR1-Gens in attackierten Pflanzen", erklärt Shree Pandey. Für die Wissenschaftler ein Hinweis, dass die RdR Polymerase in die Erzeugung der smRNAs involviert ist.

Doch was genau machen nun diese kleinen Helfer im Genom? Eine bioinformatische Analyse der gefundenen smRNASequenzen zeigte, dass ein Teil von ihnen direkt jene Gene beeinflusst, die wiederum Enzyme des Pflanzenhormonstoffwechsels steuern. Eine besondere Rolle spielt hier das Jasmonat. Dieser Signalstoff reguliert die Abwehr von Pflanzen gegen Insektenfraß. In transgenen Pflanzen, in denen das RdR1-Gen abgeschaltet war, waren tatsächlich eine Reihe von Jasmonatstoffwechsel-Genen "herunterreguliert" - mit dem Ergebnis, dass diese Pflanzen vergleichsweise stark von Fraßschädlingen befallen wurden.

Die Tatsache, dass bei Fehlen der kleinen RNAMoleküle Gene in ihrer Aktivität herunter reguliert werden, lässt die Max-Planck-Forscher vermuten, dass durch RNAInterferenz Signalwege nicht nur abgeschaltet, sondern auch eingeschaltet werden können - ein eher ungewöhnlicher Effekt, der jedoch auch schon von Humanbiologen für den Menschen beschrieben wurde. Doch auch alternative Mechanismen seien denkbar, so Baldwin. Deshalb wollen die Forscher noch einen weiteren potenziellen Effekt der kleinen RNA-Moleküle, die Tabak nach Insektenbefall bildet, näher untersuchen: Wenn Raupen Vorläufer-Moleküle für smRNAs, nämlich doppelsträngige RNA, die gegen spezielle Insekten-Gene gerichtet ist, mit ihrer Blattnahrung aufnehmen, dann sind diese Gene im Insekt abgeschaltet. "Das lässt vermuten, dass smRNAs direkt den Raupenfraß bekämpfen, indem sie Verdauungs- oder Entgiftungsgene im Tier stilllegen", sagt Baldwin.

Originalveröffentlichung<: Shree P. Pandey, Priyanka Shahi, Klaus Gase, Ian T. Baldwin; "Herbivory-induced changes in the small-RNA transcriptome and phytohormone signaling in Nicotiana attenuata."; Proceedings of the National Academy of Sciences USA, Early Edition, 13. März 2008.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Kampf gegen Krebs: Neueste Entwicklungen und Fortschritte