Neue Einblicke in die Evolution und die Regulation von menschlichen Genen

31.10.2006

Mit einen neuen methodischen Ansatz können der Bioinformatiker und Systembiologe Prof. Nikolaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und Dr. Kevin Chen vom Center for Comparative Functional Genomics, New York University, New York (USA) jetzt gezielter nach Strukturen im Genom des Menschen fahnden, die mit großer Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Krankheiten von Bedeutung sind. An Hand kleinster vererbter Variationen im Genom des Menschen versuchen sie, neue Einblicke in die Regulation von Genen und ihre Bedeutung für Gesundheit und Krankheit zu gewinnen. Die Forscher interessiert dabei vor allem die Frage, wie sich die Genregulation im Laufe der Jahrmillionen der Entstehung des Menschen entwickelt hat.

Dazu haben sie zwei Methoden der Genomforschung miteinander verknüpft, die Suche nach einzelnen vererbten Unterschieden im Aufbau der DNA, die die korrekte Expression von Genen beinflussen können, und die Populationsgenetik. Sie sind nach eigenen Angaben damit in der Lage, Aussagen über die Genregulation zu treffen und solche Variationen im Genom ausfindig zu machen, die die Ursache für Erkankungen sein können.

Wissenschaftler schätzen, dass es rund elf Millionen Unterschiede im gesamten Genom der Menschen gibt. Sie nennen sie kurz SNPs (single nucleotide polymorphisms) und versuchen, die Variationen oder Polymorphismen dieser individuellen genetischen Ausstattung (Genotyp) aufzuspüren und ihre Bedeutung für Gesundheit und Krankheit zu entschlüsseln. Zur Erforschung der Genregulation haben Prof. Rajewsky und Dr. Chen so genannte microRNAs unter die Lupe genommen. MicroRNAs können nach Prof. Rajewsky's bisheriger Forschung tausende von menschlichen Genen regulieren. Nach neuen Studien spielen microRNAs eine entscheidende Rolle in der Entwicklung, bei Krebs und beim Stoffwechsel.

MicroRNAs binden an bestimmte kurze Regionen der DNA, in der Fachsprache cis regulatorische Stellen oder "microRNA targets" genannt. Sie sind sehr breit über das gesamte Genom gestreut. MicroRNAs blockieren an diesen Bindungstellen die Boten-RNA mit ihrer umgeschriebenen Bauanleitung für Proteine und verhindern damit deren Produktion. Sie beinflussen somit, welche Gene und deren Proteinprodukte im Körper abgelesen werden.

Prof. Rajewsky und Dr. Chen verknüpften Informationen über die einzelnen genetischen Variationen in bioinformatisch vorhergesagten microRNA targets aus SNP-Datenbanken mit populationsgenetischen Methoden. Dadurch konnten sie demonstrieren, dass bestimmte vorhergesagte microRNA targets gute Kandidaten dafür sind, die Entstehung von Krankheiten des Menschen besser zu verstehen. Zugleich konnten sie mit ihrer Methode zeigen, dass rund 85 Prozent der vorhergesagten microRNA targets tatsächlich Bindungsstellen sind. Weiterhin konnten die Forscher aufzeigen, dass auch eine große Zahl von microRNA targets, die spezifisch für den Menschen sind, zu Krankheitsmustern beitragen könnten, die spezifisch bei ihm auftreten. Schließlich sind die Forscher der Ansicht, dass ihr neuer Ansatz in Zukunft auch auf andere genregulatorische Mechanismen angewandt werden kann.

Originalveröffentlichung: Kevin Chen, Nikolaus Rajewsky; "Natural Selection on Human MicroRNA Binding Sites Inferred from Single Nucleotide Polymorphism Data"; Nature Genetics2006, Vol. 38, Nr. 11.

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