Alzheimer-Patienten können bestimmte Hirnregionen nicht mehr deaktivieren

20.09.2005

Nuklearmediziner und Psychiater des Klinikums rechts der Isar haben Ungewöhnliches im Gehirn von Alzheimer-Patienten entdeckt: Im Gegensatz zu Gesunden gelingt es den Patienten nicht, überflüssige Hirnaktivität abzuschalten. Damit fehlt ihnen die Fähigkeit sich auf Wesentliches zu konzentrieren.

Bei Alzheimer-Patienten sterben nach und nach die Nervenzellen im Gehirn. Aus diesem Grund konzentrierte sich die Forschung bislang auf die Suche nach den Gebieten im Gehirn, die besonders wenig Aktivität zeigen. "Wir sind nun einem neuen Forschungsansatz nachgegangen", berichtet Dr. Alexander Drzezga, Oberarzt der Nuklearmedizinischen Klinik. Im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. "Wir wollten herausfinden, inwieweit Alzheimer-Patienten die Fähigkeit verlieren, Gehirnareale zu deaktivieren." Viele Denkleistungen erfordern nicht nur eine Aktivierung des Gehirns, sondern gleichzeitig auch eine Deaktivierung.

Um herauszufinden, wie die Balance zwischen Aktivierung und Deaktivierung im Gehirn von Alzheimer-Patienten funktioniert, untersuchten der Nuklearmediziner Dr. Alexander Drzezga und sein Team eine Gruppe von 32 Versuchspersonen. Elf Versuchspersonen waren gesund, zehn litten unter einer sogenannten leichten kognitiven Störung (LKS) und elf waren Alzheimer-Patienten. Menschen mit einer leichten kognitiven Störung zeigen zwar noch nicht die voll ausgeprägten Symptome der Alzheimer-Erkrankung, sind aber gefährdet die Krankheit zu entwickeln. Alle Versuchsteilnehmer wurden aufgefordert eine einfache Orientierungsaufgabe am Computer zu lösen. Dafür mussten sie in einer dreidimensionalen Umgebung von Punkt A nach Punkt B finden. Während sie versuchten, die Aufgabe zu meistern, wurde ihre Gehirnaktivität mithilfe eines Positronen-Emissions-Tomographen (PET) gemessen. Orientierungsschwierigkeiten gehören mit zu den frühesten Anzeichen einer Alzheimer-Erkrankung. Daher sind solche Aufgaben gut geeignet um die kognitiven Probleme der Patienten zu ergründen.

Bei den Gesunden waren vor allem höhere, sogenannte assoziative Zentren des Gehirns aktiv. Dort werden Wahrnehmungen interpretiert und in Zusammenhang gebracht. Bei den Versuchspersonen mit leichten kognitiven Störungen und den Alzheimer-Patienten blieben die Neuronen in diesen Arealen fast stumm. Sie benutzten hauptsächlich vorgeschaltete Zentren, die der schlichteren Wahrnehmungsverarbeitung dienen. "Bei Alzheimer-Patienten", so die Interpretation von Dr. Alexander Drzezga "landen die wahrgenommenen Eindrücke auf immer niedrigerem Niveau." Das spiegelt auch den Alltag der Patienten wieder. Sie sehen zwar einen Menschen, können aber beispielsweise nicht mehr die Assoziation "meine Tochter" bilden.

Den spannendste Unterschied zwischen den Versuchsgruppen fanden die Forscher an ganz anderer Stelle im Gehirn - im Hörzentrum. Bei den gesunden Versuchspersonen hatte dieser Teil der Großhirnrinde während der Orientierungsaufgabe nahezu alle Aktivität eingestellt. Bei den anderen beiden Gruppen feuerten die Nervenzellen des Hörzentrums fast ungedrosselt weiter. Dabei zeigte sich ein statistisch eindeutiger Zusammenhang: Je schwächer die Denkleistungen der Versuchspersonen umso geringer die Deaktivierung des Hörzentrums.

Mit diesem neuen Einblick in die Krankheit könnten sich auch neue Wege für die Früherkennung und die Therapie eröffnen. Mithilfe der im Test verwendeten Orientierungsaufgabe und der nun erhobenen Vergleichsdaten könnte beispielsweise die Wirkung von neuen Medikamenten auf die Deaktivierung untersucht werden. Möglich wäre zudem die Entwicklung einer kognitiven Therapie, die Alzheimer-Patienten hilft, sich gezielt auf einzelne Sinneseindrücke zu konzentrieren und andere auszublenden.

Originalveröffentlichung: A. Drzezga et al.; "Impaired Cross-Modal Inhibition in Alzheimer´s Disease"; PloS online 2005.

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