Neue Angriffspunkte für Impfung gegen Hirntumor

Impfstoff gegen neu entdeckte Tumormarker wird in klinischen Studien geprüft

22.06.2012 - Deutschland

Wissenschaftler der Universitätskliniken Heidelberg und Genf, der Tübinger Biotechnologie-Firma immatics und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) sind in der Erforschung eines äußerst aggressiven Hirntumors, des Glioblastoms, einen großen Schritt weitergekommen und haben damit die Tür zu einem neuen Therapiekonzept geöffnet: Sie erfassten erstmals systematisch sämtliche Eiweiße auf der Oberfläche der Glioblastomzellen und identifizierten zehn Marker, die besonders charakteristisch für diese Tumorart sind. Die Marker eignen sich als Angriffspunkt für eine Impfung gegen den bislang unheilbaren Krebs.

Die Forschungsergebnisse fanden bereits Eingang in die klinische Anwendung: immatics entwickelte aus den neu identifizierten Markern den therapeutischen Krebsimpfstoff IMA950, der aktuell in zwei klinischen Studien der National Institutes of Health (NIH) in Bethesda (Maryland), USA, und der Cancer Research UK in England zum Einsatz kommt. Eine weitere Studie am Universitätsklinikum Heidelberg ist in Planung.

Das Glioblastom ist der häufigste und bösartigste Hirntumor bei Erwachsenen. Jährlich erkranken in Deutschland ca. 3.500 Menschen. Die Behandlung besteht aus Operation mit anschließender Bestrahlung und Chemotherapie. Eine Heilung ist derzeit allerdings nicht möglich: Aus wenigen verbliebenen Krebszellen entwickelt sich in der Regel innerhalb weniger Monate erneut ein Tumor (Rezidiv). Weniger als fünf Prozent der Patienten überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnosestellung.

Impfung soll körpereigene Abwehrreaktion gegen Tumor verstärken

Zwar bekämpft das körpereigene Abwehrsystem den Tumor, allerdings reicht die Immunantwort nicht aus: Die Krebszellen vermehren sich schneller, als die Immunzellen sie vernichten können – der Tumor wächst. „Eine Impfung kann die Immunantwort verstärken und damit das Tumorwachstum deutlich verlangsamen“, hofft Professor Dr. Christel Herold-Mende, Leiterin der Neurochirurgischen Forschung an der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Andreas Unterberg). Zum Einsatz käme eine solche Impfung nach der Operation, wenn die verbliebenen Krebszellen für das Immunsystem gut zugänglich sind.

So funktioniert die Impfung: Charakteristische Oberflächenstrukturen der Tumorzellen, z.B. Eiweiße oder Teile davon, werden gemeinsam mit Substanzen, die das Immunsystem anregen, in die Haut injiziert. „Wir lösen quasi eine Entzündung aus: Die Immunzellen werden angelockt und auf die Tumoreiweiße geprägt“, erklärt die Biologin. In Folge entstehen deutlich mehr Lymphozyten, die auf die Bekämpfung des Tumors spezialisiert sind, als ohne die zusätzliche Aktivierung. Entdecken sie im Körper Zellen mit den Eiweißen aus dem Impfstoff, zerstören sie diese.

Sichere Unterscheidung zwischen Tumor- und Körperzellen

Der aufwendigste Anteil der Forschungsarbeit war es, Oberflächenmerkmale ausfindig zu machen, anhand derer Immunzellen sicher zwischen Tumor- und gesunden Zellen unterscheiden können. Mit einem speziellen Verfahren isolierten die Wissenschaftler der Firma immatics mehr als 6.000 solcher Eiweißbruchstücke aus den Tumorzellen von 32 Patienten. Das Team um Professor Herold-Mende prüfte zusammen mit den Kollegen des DKFZ (Professor Dr. Philipp Beckhove) und des Genfer Universitätsklinikums (Professor Dr. Pierre-Yves Dietrich) an Tumorgewebeproben von 221 weiteren Patienten, welche Marker zuverlässig in Glioblastomen vorkommen, auf möglichst vielen Zellen der Tumoren zu finden sind und nur wenig oder gar nicht von gesunden Körperzellen gebildet werden. Schließlich blieben zehn vielversprechende Kandidaten übrig.

„Nicht jede Zelle trägt jeden Marker an der Oberfläche, und das Profil kann sich auch von Patient zu Patient leicht unterscheiden“, erklärt Herold-Mende. „Indem wir mehrere Eiweiße für den Impfstoff auswählen, stellen wir sicher, dass das Immunsystem keine Zellen übersieht.“

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