Neue Mechanismen zur Unterdrückung von Tumoren entdeckt

30.05.2018 - Österreich

Eine Forschergruppe aus Innsbruck beschrieb erstmals, wie beschädigte Zellen nach einer unvollständigen Teilung an ihrer weiteren Vermehrung gehindert werden. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt wurde gezeigt, dass der Mechanismus nicht, wie bisher vermutet, durch die schadhafte Erbinformation ausgelöst wird.

Fehler bei der Zellteilung können zur Entwicklung von Krebszellen führen, weshalb die Untersuchung dieser Fehler von besonderem Interesse für die Forschung ist. Ein solcher Fehler ist eine unvollständige Zellteilung: Die Zelle bereitet die Teilung vor, die Chromosomen werden dupliziert, doch die eigentliche Teilung (Zytokinese) wird nicht vollzogen. Solche Zellen werden „tetraploid“ genannt, von „tetra“ für „vier“, weil sie im Gegensatz zu gesunden Zellen nicht zwei, sondern vier Chromosomensätze haben. Eine solche Zelle ist dabei normal lebensfähig, problematisch ist das erst bei der nächsten Zellteilung, wo die vielen Chromosomen nicht richtig auf die beiden neuen Zellen verteilt werden, da nicht nur das Erbgut in vierfacher Ausführung vorliegt, sondern sich auch die Zahl der sogenannten Zentrosomen verdoppelt hat. Bei Letzteren handelt es sich um wichtige Zellorganellen, deren Aufgabe es ist, die Chromosomen für die Teilung richtig anzuordnen. Das führt zu asymmetrischer Zellteilung und in Folge unterschiedlichsten Schäden im Erbgut, was Krebs auslösen kann.

Eine Forschungsgruppe um Andreas Villunger von der Medizinischen Universität Innsbruck hat nun einen wichtigen Mechanismus klären können, wie der Körper sich vor diesem Szenario schützt, indem er beschädigte Zellen an der weiteren Teilung hindert oder in den kontrollierten Zelltod schickt.

Funktion des Tumor-unterdrückenden Proteins p53

„Wir arbeiten seit langer Zeit zum Thema Zelltod, insbesondere mit dem Tumorsupressor p53“, sagt Villunger im Gespräch mit scilog. Das Protein p53 sei von zentraler Bedeutung für die Krebsforschung: „Bei mehr als 50 Prozent aller Tumorpatientinnen und -patienten ist es mutiert oder verloren gegangen.“ Die tumorunterdrückende Funktion ist dann beeinträchtigt. Es war bekannt, dass p53 auch in tetraploiden Zellen oder der Anhäufung von Zentrosomen aktiviert wird, um die Zellteilung zu verhindern. „Das wusste man schon sehr lange“, erklärt der Forscher, „doch man wusste nicht, wie diese Aktivierung in der Zelle ausgelöst wird.“

Aktivierung von p53 bei unvollständiger Zellteilung

Villungers Gruppe untersuchte nun einen Proteinkomplex namens PIDDosome, von dem man vermutete, dass er mit p53 und Zelltod in Zusammenhang steht. Genaueres war aber nicht bekannt. Tetraploidie oder Zentrosomen waren zunächst nicht der Fokus des Projekts, doch bei den Untersuchungen zeigte sich Überraschendes: „Wir haben gesehen, dass ein bestimmtes Protein des Komplexes aktiviert wird, wenn Zellen bei der Teilung Fehler begehen und den letzten Schritt, die Zytokinese, nicht vollständig ausüben können.“ Das ist eben jenes Szenario, bei dem tetraploide Zellen mit der doppelten Chromosomen- und auch Zentrosomenzahl entstehen. Die Forschergruppe schaltete die Proteine des PIDDosome-Komplex gezielt aus. Daraufhin funktionierten die zelleigenen Korrekturmechanismen in tetraploiden Zellen nicht mehr, insbesondere die Aktivierung von p53 fehlte. Damit war gezeigt, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht.

Lücke im Verständnis geschlossen

„Das war die initiale Beobachtung“, sagt Villunger. „Wir konnten daraufhin zeigen, dass alle Proteine in diesem Komplex in den Prozess involviert sind. In weiterer Folge haben wir gesehen, dass das auslösende Signal nicht die Verdopplung der Chromosomen ist, sondern die Verdopplung von Zentrosomen.“ Vor jeder Zellteilung bildet sich ein zweites Zentrosom, um die gleichmäßige Verteilung der Chromosomen auf beide Tochterzellen zu garantieren. Tetraploide Zellen, bei denen die Teilung unvollständig war, haben zwei Zentrosomen, die sich eben vor der nächsten Teilung verdoppeln und somit asymmetrische Zellteilung bedingen, welche mit einer ungleichförmigen Verteilung von Chromosomen einhergeht.

Damit wurde eine wichtige Lücke im Verständnis der Aktivierung von p53 geschlossen. Der Effekt war vermutet worden, allerdings hatte man sich auf die DNA konzentriert. Dass hier Zentrosomen so eine große Rolle spielen war für Villunger und sein Team überraschend. „Wir interessieren uns ja eigentlich für Zelltod nach DNA-Schäden. Doch dann haben wir gesehen, dass es nicht DNA-Schäden sind, die p53 aktivieren, sondern die extra Zentrosomen. Die Folge ist auch nicht unbedingt Zelltod, sondern ein Anhalten des Zellzyklus.“ Die Zelle teilt sich danach nicht mehr.

Grundlagenprojekte mit ungewissem Ausgang

Das unerwartete Ergebnis dieses erst im dritten Anlauf vom FWF genehmigten Projekts hat nun die Tür zu neuen Forschungen geöffnet, die es Villungers Team ermöglichten, einen mit mehreren Millionen Euro dotierten und auf Exzellenz ausgerichteten ERC-Grant des Europäischen Forschungsrats an Land zu ziehen. Der Forscher betont die Wichtigkeit solcher Grundlagenprojekte, in denen flexibel auf interessante Entdeckungen reagiert werden kann. „Das ursprüngliche Projekt zielte eigentlich nur darauf ab, zu verstehen, wie und ob über diesen wenig verstandenen Proteinkomplex Zelltod reguliert wird. Doch als wir die interessanten Ergebnisse zu den Zentrosomen gesehen haben, haben wir uns darauf gestürzt.“

Besonders interessant ist für Villunger, dass die Verdopplung der Chromosomen in manchen Organen absichtlich herbeigeführt wird und wichtig für die Differenzierung ist. „In der Leber sind viele Zellen tetraploid und haben extra Zentrosomen“, sagt Villunger. „Wir haben dann gesehen, dass auch dort das PIDDosome benötigt wird um p53 zu aktivieren.“ Ursprünglich sei man auf dem falschen Dampfer gewesen, erklärt Villunger, der betont, dass Forschung nicht immer geradlinig verläuft: „Die Hypothese des ursprünglichen Projektantrags war nicht richtig. Doch dann konnten wir einen Mechanismus aufklären, der in der Literatur seit vielen Jahren vermutet wurde, molekular aber nicht verstanden war.“ Das habe das Verständnis des Tumorsupressors p53 vertieft, potenzielle Angriffspunkte für zukünftige Krebstherapie geschaffen und zugleich eine Reihe neuer Forschungsfelder eröffnet.

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