Fibrose sichtbar machen – bevor es zu spät ist

Mit geplanten ETH-Spin-off zur Marktreife

07.07.2025
Gian Marco Castelberg / ETH Zürich

Giuseppe Antoniazzi im Labor an der ETH Zürich.

Giuseppe Antoniazzi entwickelt ein Diagnostik-Toolkit, das frühe Hinweise auf fibrotische Erkrankungen gibt. Damit will der Pioneer Fellow einen Beitrag leisten, um die meist zu spät bemerkten bisher kaum aufzuhaltenden Gewebevernarbungen rechtzeitig zu erkennen und Gegenmassnahmen zu ermöglichen.

Fibrose ist eine tückische Erkrankung. Narbengewebe verdrängt zunehmend und irreversibel gesundes Gewebe. Die Folge: Organe wie Lunge, Leber oder Niere verlieren ihre Funktion. Im Fall der Lungen werden mehr als 80 Prozent der Fibrosen erst in einem späten Stadium erkannt – wenn das Gewebe bereits grossflächig vernarbt und nicht mehr zu retten ist. Die Lebenserwartung von Patient:innen mit Lungenfibrose beträgt dann oft nur noch drei bis fünf Jahre.

Hier setzt Giuseppe Antoniazzi an. Er hat bei Helma Wennemers, ETH-Professorin für Organische Chemie, doktoriert und entwickelt im Rahmen eines Pioneer Fellowships ein diagnostisches Werkzeug, das es ermöglichen soll, fibrotische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen. Seine Arbeit baut dabei auf einer Erfindung aus dem Wennemers-Labor auf, die 2020 mit dem Spark Award ausgezeichnet wurde. «Wir haben eine chemische Sonde entwickelt, die auf die Aktivität eines Enzyms reagiert, das als einer Haupttreiber der Fibrose gilt», erklärt Antoniazzi. Gemeint ist Lysyl-Oxidase, kurz LOX – ein Enzym, das massgeblich an der Umwandlung von gesundem Gewebe in Narbengewebe beteiligt ist.

Ein fluoreszierendes Frühwarnsystem

Die Sonde ist ebenso unscheinbar wie wirkungsvoll: Von blossem Auge erscheint sie als weisses Pulver, das sich in Wasser lösen lässt. Trifft sie auf Gewebe – etwa in Form einer Biopsie – oder auf Körperflüssigkeiten, in denen LOX aktiv ist, beginnt sie blau zu fluoreszieren. «Entscheidend ist, dass wir nicht nur die Anwesenheit des Enzyms nachweisen, sondern dessen tatsächliche Aktivität», betont Antoniazzi.

Sein Ziel ist es, mit dieser Sonde eine Art Frühwarnsystem zu schaffen. Denn LOX ist zwar auch in gesundem Gewebe aktiv, jedoch nur in sehr geringen Mengen. Bei einer beginnenden Fibrose steigt die Aktivität stark an. «Wenn wir diesen Anstieg rechtzeitig erkennen, können Ärztinnen und Ärzte früh eingreifen – bevor das Gewebe irreversibel geschädigt ist», sagt Antoniazzi.

Die Sonde, mit der eine frühzeitige Diagnose von fibrotischen Erkrankungen möglich wird, ist ein Novum. Bisher wird Lungenfibrose meist durch ein Ausschlussverfahren diagnostiziert. Eine Patientin mit länger anhaltendem Husten wird zunächst auf verschiedene Erkrankungen untersucht. Wenn sich keine andere Erklärung findet, bleibt als Diagnose oft nur Fibrose. «Dabei können schnell zwei Jahre vergehen – eine Zeit, in der die Krankheit bereits hätte behandelt werden können», sagt Antoniazzi. Auch die heute als Goldstandard geltende hochauflösende Computertomographie erkennt Fibrose erst, wenn die Gewebestruktur bereits verändert ist – und damit zu spät.

Der lange Weg vom Labor auf den Markt

Bis zur klinischen Anwendung ist es noch ein weiter Weg. «Anfangs haben wir die Sonde vor allem an Gewebeproben getestet», sagt Antoniazzi. Doch Biopsien werden meist erst im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf durchgeführt. Deshalb verlagerte er den Fokus zu Beginn seines Fellowships auf flüssige Proben wie Blutserum. «Wenn wir die Sonde für Blutserum validieren könnten, wäre das ein grosser Schritt hin zur frühen Diagnostik.»

Mit dem geplanten ETH-Spin-off «FibroTech Solutions» will Antoniazzi die Sonde zur Marktreife bringen. «Wir sind noch in der frühen Phase, wissen inzwischen aber genau, worauf wir unsere Validierung ausrichten müssen», sagt er.

Eine der frühen Herausforderungen war, das Produkt verständlich und überzeugend zu kommunizieren. «Wir müssen den besten Weg finden, um ein neues Diagnoseinstrument einzuführen, das den aktuellen Verfahren und Anforderungen entspricht, und deshalb müssen wir auch den Markt verstehen.» In der Anfangsphase konzentrierte sich Antoniazzi deshalb darauf, das Marktumfeld zu analysieren – und sich gezielt auf die Nutzerinnen und Nutzer auszurichten.

Ein Highlight war dabei die Teilnahme am 3Pi-Wettbewerb der ETH Zürich: Die Chance, sein Start-up in drei Minuten pitchen zu können. «Und tatsächlich habe ich den dritten Platz gewonnen, was mich sehr motiviert hat», erzählt Antoniazzi. «Ich war überwältigt, wie gross die Unterstützung für junge Start-ups an der ETH Zürich und in der Schweiz ist. Man bekommt Expertise, Zeit, ein Netzwerk, weil die Leute an einen glauben.»

Unterstützt wird FibroTech Solutions von einem wachsenden Netzwerk aus klinischen Partnern, etwa dem Universitätsspital Zürich und dem Kinderspital Zürich. Gemeinsam testet das Team verschiedene Anwendungsgebiete – von Lungenfibrose bis zu seltenen Erkrankungen im Kindesalter. «Unsere Sonde ist grundsätzlich auf alle Formen von Fibrose anwendbar», sagt Antoniazzi. «Aber wir müssen sorgfältig priorisieren, um unsere Ressourcen gezielt einzusetzen. Den diagnostischen Werkzeugkasten können wir später schrittweise ausweiten.»

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