Pilzwirkstoff von den Osterninseln schützt vor Gefäßverschluss

17.08.2005

Eine seit Jahren offene Frage in der Behandlung von herzkranken Patienten haben Wissenschaftler der TU-Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen nun beantwortet. Sie fanden heraus, dass Metallröhrchen zur Aufdehnung verengter Herzkranzgefäße - sogenannte Stents - einer erneuten Gefäßverstopfung dann besser vorbeugen, wenn Sie mit dem Antibiotikum Sirolimus (Rapamycin) statt mit dem Krebsmittel Paclitaxel beschichtet sind.

Die Verwendung von Stents bei Verengung der Herzkranzgefäße birgt ein Risiko: Bei über einem Drittel der Patienten kommt es zu Komplikationen, da die künstlichen Gefäßstützen eine Fremdkörperreaktion hervorrufen. Die irritierte Wand des Blutgefäßes bildet verstärkt neue Zellen, diese wandern in das Blutgefäß ein und drohen es erneut zu verstopfen. Bei fast 20% der Stent-Patienten muss daher nach rund sechs Monaten ein erneuter Eingriff erfolgen. Dies bedeutet nicht nur eine Belastung für den Patienten, sondern verursacht auch hohe Kosten für das Gesundheitswesen.

Ende der 1990er Jahre versuchte man mit einem eleganten Trick die Nebenwirkungen der Gefäßstützen abzumildern. Medizintechniker beschichteten den Stent mit Medikamenten, die der Neubildung von Zellen entgegenwirken. Die Idee hatte Erfolg. Der medikamenten-beschichtete Stent verringerte die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Gefäßverengung (Restenose) auf unter 10%.

Eine Möglichkeit, die Gefahr einer Restenose noch weiter zu senken, ist die Wahl des richtigen Medikaments. Zwei Substanzen haben sich dabei auf dem Markt durchgesetzt: Der Eibenwirkstoff Paclitaxel und das in Pilzen der Osterninsel Rapa Nui entdeckte Antiobiotikum Sirolimus (Rapamycin). Beide haben in großen Studien ihre Wirksamkeit bewiesen. Die Frage, die Kardiologen, Patienten und Pharmafirmen nun gleichermaßen interessierte war: Welcher der beiden medikamentenbeschichteten Stents wirkt besser?

Diese Frage beantwortete nun das Team um Professor Albert Schömig und Professor Adnan Kastrati. In der ISAR-DIABETES Studie verglichen die Mediziner bei 250 Patienten mit Diabetes den Sirolimus beschichteten Stent mit dem Paclitaxel beschichteten Stent. Damit die möglicherweise geringen Unterschiede wie unter einem Vergrößerungsglas zum Vorschein kommen, wählten die Studienleiter nur Hochrisikopatienten mit Diabetes Typ-II für ihre Untersuchung. Da die Ergebnisse dieser Vergleichsstudie auch wirtschaftlich von großem Interesse sind, war es für die Studienleiter des Herzzentrums wichtig bei der Finanzierung der Studie unabhängig zu sein. Daher wurden alle Kosten vom Herzzentrum selbst und ohne die oft üblichen Zuschüsse von Firmen getragen.

Die Ergebnisse der Studie, die am 17. August im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wird, zeigen einen eindeutigen Vorteil des Pilzwirkstoffs Sirolimus. Patienten, deren Gefäße mit einem Sirolimus beschichteten Stent abgestützt wurden, hatten im Beobachtungszeitraum von sechs bis neun Monaten ein um 50% geringeres Risiko für eine erneute Gefäßverengung als die Gruppe, deren Stents mit Paclitaxel beschichtet waren.

Um herauszufinden, ob sich dieser Vorteil auch auf eine Gruppe von "Normalpatienten" übertragen läßt, fasste das Medizinerteam des Herzzentrums alle weltweit vorliegenden Studienergebnisse zu medikamentenbeschichteten Stents zusammen - darunter auch einige noch unveröffentlichte Daten. In dieser sogenannten Metaanalyse mit 3669 Patienten verglichen sie das Abschneiden der beiden Wirkstoffe Paclitaxel und Sirolimus (Rapamycin). Und auch hier zeigte sich erneut die Überlegenheit der mit Sirolimus beschichteten Stents: Sirolimus senkte das Risiko einer erneuten Verengung der Herzkranzgefäße im Vergleich zu Paclitaxel um ein Drittel. Dieses Ergebnis wird am 17. August in der amerikanischen Fachzeitschrift JAMA veröffentlicht.

Originalveröffentlichungen: A. Dibra, A. Kastrati, J. Mehilli, J. Pache, H. Schühlen, N. von Beckerath, K. Ulm, R. Wessely, J. Dirschinger, A. Schömig; "Paclitaxel-Eluting or Sirolimus-Eluting Stents to Prevent Restenosis"; Diabetc Patients. N Engl J Med 2005, 353 ,663-70.

A. Kastrati, A. Dibra, S. Eberle, J. Mehilli, J. S. de Lezo, J. J. Goy, K. Ulm, A. Schömig; "Paclitaxel-Eluting vs Sirolimus-Eluting Stents in Patients With Coronary Artery Disease. Meta-analysis of Randomized Trials."; JAMA. 2005, 294:819-825.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Kampf gegen Krebs: Neueste Entwicklungen und Fortschritte