Fette Fliegen

Max-Planck-Wissenschaftler identifizieren evolutionär konserviertes "Adipositas-Gen" in der Fruchtfliege Drosophila

17.05.2005

Die kontrollierte Speicherung von Körperfett in Zeiten des Nahrungsüberschusses und dessen Mobilisierung in Hungerperioden ist eine Grundeigenschaft aller Lebewesen. Ist diese Regulation gestört, kommt es zu krankhaftem Übergewicht und Fettleibigkeit. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biophysikalische Chemie haben systematisch nach "Adipositas-Genen" bei der Fruchtfliege gesucht: Über 200 ihrer Gene sind in Abhängigkeit vom Ernährungszustand reguliert, darunter das so genannte brummer-Gen, das sie als ein bisher unbekanntes, Speicherfett-spaltendes Enzym identifizieren konnten. Fehlt dieses Gen, tritt bei der Fliege Adipositas ein, ist das Gen überaktiv, führt das zu mageren Fliegen. Da dieses Gen ein menschliches Pendant besitzt, liegt nahe, dass es auch an Adipositas beim Menschen beteiligt ist. Die Fliege eignet sich also durchaus für die Modellierung therapeutischer Aspekte von Adipositas.

Adipositas ist die pathologische Folge einer Fehlfunktion der so genannten Energiehomöostase, eines komplexen Regulationsnetzwerkes, das die kontrollierte Speicherung von Körperfett in Zeiten des Nahrungsüberschusses und dessen Mobilisierung in Hungerperioden ermöglicht. Die Notwendigkeit der kontinuierlichen Aufrechterhaltung des Energiegleichgewichtes des Körpers ist nicht auf Menschen oder Säugetiere beschränkt, sondern universelle Eigenschaft aller Tiere. Dies wirft die Frage auf, in welchem Umfang Gene und Regulationsmechanismen der Energiehomöostase in der Evolution konserviert sind.

Die Projektgruppe "Molekulare Physiologie" um Dr. Ronald Kühnlein in der Abteilung für Molekulare Entwicklungsbiologie am Göttinger MPI für biophysikalische Chemie, untersucht genetisch bedingte Unterschiede des Körperfettgehaltes am Modellsystem Drosophila. Zwar gibt es bei Taufliegen keine offensichtlichen Unterschiede zwischen dick und dünn, jedoch kann der Körperfettgehalt fetter Fliegen 15fach höher sein als der ihrer mageren Artgenossen. Frühere Untersuchungen der Projektgruppe an einem Lsd-2 genannten Fliegengen, einem Verwandten des Säugetier-"Adipositas-Genes" Perilipin, ergaben erste Hinweise auf die funktionelle Konservierung der Fettspeicheregulation zwischen Insekten und Säugetieren.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Cell Metabolism stellen die Wissenschaftler nun das Ergebnis einer systematischen Suche nach neuen "Adipositas-Genen" der Fliege vor. Über 200 Gene von Drosophila sind in Abhängigkeit vom Ernährungszustand reguliert. Die Funktion eines Viertels von ihnen ist bislang unbekannt, darunter das so genannte brummer (bmm)-Gen. Die Forscher identifizieren das Brummer-Protein als Mitglied einer neuen Familie von Speicherfett-spaltendes Enzymen (Triazylglyzeridlipasen), welches an intrazelluläre Fettspeichertröpfchen im Fettgewebe der Fliege assoziiert. Das Fehlen von brummer verursacht Adipositas in Drosophila, während eine Überaktivierung des Gens zu mageren Fliegen führt.

Die funktionelle Charakterisierung des brummer-Genes in vivo erweitert nicht nur wesentlich das Verständnis der Regulation der Körperfettspeicherung in Insekten. Die Existenz des Brummer-verwandten Enzymes ATGL (adipocyte triglyceride lipase) in Fettspeicherzellen von Säugetieren lässt vermuten, dass diese Genfamilie eine zentrale, evolutionär konservierte Rolle bei der Regulation des Körperfettgehaltes von Tieren spielt. Dies eröffnet die Perspektive, mechanistische und therapeutische Aspekte von Adipositas in dem genetisch und molekular gut zugänglichen Modellsystem der Fruchtfliege zu untersuchen.

Originalveröffentlichungen: S. Grönke, M. Beller, S. Fellert, H. Ramakrishnan, H. Jäckle, R. P. Kühnlein; "Control of Fat Storage by a Drosophila PAT Domain Protein"; Current Biology 2003, 13 (7), 603-606.

S. Grönke, A. Mildner, S. Fellert, N. Tennagels, S. Petry, S., G. Müller, H. Jäckle, R. P. Kühnlein; "Brummer lipase is an evolutionary conserved fat storage regulator in Drosophila"; Cell Metabolism 2005.

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