Neuer Gen-Chip soll Karies schon vor dem Ausbruch entlarven

10.12.2002
Münster (dpa) - Er sieht aus wie ein ganz normaler Objektträger, der in der Mikroskopie verwendet wird: Ein fingerlanges, durchsichtiges Rechteck aus Glas. Eher unspektakulär für einen «Gen- Chip». Antje Rötger hält den Träger vor ihr Auge und blickt hindurch. «Es ist nichts zu sehen», erklärt sie. «DNA ist nämlich mit dem Auge nicht sichtbar». Vor zwei Jahren hat die promovierte Biologin aus Münster einen Gen-Chip für die zahnmedizinische Diagnostik entwickelt. Bisher werden diese Chips, mit denen sich eine Vielzahl von Erbanlagen gleichzeitig untersuchen lässt, vor allem in der medizinischen Forschung eingesetzt. Rötgers Erfindung ist sowohl in Deutschland als auch international zum Patent angemeldet. Die Verträge mit Investoren seien inzwischen so gut wie unterzeichnet, berichtet die 30-jährige Wissenschaftlerin. «In etwa zwei bis drei Jahren kann der Chip in Produktion gehen.» Er ermögliche unter anderem, die Bakterien Streptococcus mutans und Porphyromonas gingivalis sowie den Pilz Candida albicans im Speichel nachzuweisen. Diese Keime werden für Karies und Zahnfleischentzündungen (Parodontitis) verantwortlich gemacht. Jährlich plagt nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP) acht von zehn Erwachsene Karies oder eine Parodontitis. Schmerzhafte Löcher, Zahnfleischbluten und Entzündungen bis hin zum Zahnausfall sind die Konsequenzen. Sind Zähne und Zahnfleisch erst einmal betroffen, hilft nur noch eine Behandlung beim Zahnarzt. Der Gen-Chip von Antje Rötger hilft bei der Früherkennung von oralen Infektionen. Auf ihm befinden sich künstliche Erbgut-Fragmente der Keime. Mit ihrer Hilfe können die Mikroorganismen bereits in der Speichelprobe eines Patienten entlarvt werden, bevor sich die Beschwerden manifestieren. Der Gen-Chip analysiert seiner Schöpferin zufolge auch Eigenschaften der Bakterien, wie zum Beispiel eine Antibiotika- Resistenz oder die Aggressivität des Bakterienstammes. Somit eigne sich der Chip gleichzeitig für Therapie und Prävention. «Gen-Chips werden schon seit einiger Zeit in der Tumordiagnostik und der Stoffwechselgenetik verwendet, in der Zahnmedizin sind sie in der Form noch nicht vorhanden», sagt Rötger. «Dabei kann man mit ihrer Hilfe viel Geld sparen», betont sie mit Blick auf spätere Behandlungskosten der weit verbreiteten Zahnkrankheiten. Die Bakterien können auch auf den gesamten Körper übergreifen und dort weit gefährlichere Erkrankungen wie Schlaganfälle, Diabetes, Herzerkrankungen und Frühgeburten auslösen. «Die Folgen von Zahnerkrankungen werden von den Betroffenen oft nicht ernst genug genommen», berichtet die DGP. Derzeit machen zahnärztliche Behandlungen nach Angabe der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) rund ein Zehntel der Krankenkassen-Ausgaben aus. Seit rund einem Jahr betreibt Rötger ihre eigene kleine Firma Carpegen. Das Münsteraner Unternehmen ist auf die molekularbiologische Analyse von Bakterien spezialisiert, die den Mundraum befallen. Mit dem bisherigen Verfahren wird die Erbsubstanz der Erreger aus einer Speichelprobe isoliert. Danach wird sie vervielfältigt und sichtbar gemacht. Das Verfahren dauert einen Tag. Derzeit seien rund 150 Zahnarzt-Praxen aus ganz Deutschland bei Carpegen-Kunde. «Das macht 70 bis 100 DNA-Proben die Woche», erklärt Rötger. Auf Grund der hohen Nachfrage hat sie einen Pepitierroboter angeschafft. Dieser kann fast 100 Proben in drei Stunden analysieren. Im Vergleich schafft ein Mensch nur 50 an einem Tag. Mit dem Gen-Chip soll die Analyse noch deutlich schneller gehen.

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