Robert-Koch-Preis 2016 verliehen

07.11.2016 - Deutschland

Die Robert-Koch-Stiftung hat den mit 100.000 Euro dotierten Robert-Koch-Preis 2016 zu gleichen Teilen an die Professoren Alberto Mantovani, Humanitas University, Mailand, und Michel C. Nussenzweig, Rockefeller University/Howard Hughes Medical Institute, New York, verliehen. Gleichzeitig wurde Professor Kai Simons, Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, mit der Robert-Koch-Medaille in Gold für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Die Preise überreichte Annette Widmann-Mauz, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit während eines Festakts am 4. November 2016 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin.

Mit dem Preis werden die bahnbrechenden Forschungsarbeiten beider Immunologen gewürdigt, aus denen sich neue Behandlungsmöglichkeiten etwa bei Krebs oder bei der Bekämpfung von HIV-Infektionen ergeben haben. Durch ihre Forschung legten Mantovani und Nussenzweig die Grundlage zum Verständnis der Funktionsweise verschiedener immunologischer Mechanismen. Simons wurde für sein wissenschaftliches Lebenswerk, insbesondere für seine Arbeiten in der modernen Zellbiologie, gewürdigt.

Die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz erklärte: „Den drei Preisträgern ist eines gemeinsam: Ihre Forschungen bewegen sich auf Zellebene – setzen also bei der kleinsten Einheit des Lebens an. Zu Gute kommen sie etwas weitaus Größerem: Dem Menschen und der Wiederherstellung seiner Gesundheit.“

Professor Alberto Mantovani, wissenschaftlicher Leiter des Humanitas Clinical and Research Center in Mailand, wurde für seine wegweisenden Arbeiten zum Zusammenhang zwischen Entzündungsreaktionen und Krebs ausgezeichnet. Mit seiner Beobachtung, dass sich Zellen des angeborenen Immunsystems rund um manche Krebsherde anreichern, eröffnete er ein vollkommen neues Forschungsfeld. Mantovani gelang der Nachweis, dass Fresszellen, die zu den normalen Bestandteilen von Entzündungsreaktionen gehören, im sauerstoffarmen Mikromilieu von Tumoren umprogrammiert und in den Dienst des Tumorwachstums gestellt werden können. Die so genannten „Tumor-assoziierten Makrophagen“ (TAM) verhalten sich wie „korrupte Polizisten“: Sie fördern die Vermehrung von Krebszellen, setzen Angiogenesefaktoren frei, die das Einsprießen von Blutgefäßen in den Tumor begünstigen, und machen das umliegende Gewebe durch die Freigabe von Enzymen durchlässiger für Tumorzellen, was wiederum die Metastasenbildung fördern kann. Außerdem tragen sie zur Schwächung der körpereigenen Anti-Tumor-Immunität bei, indem sie in Lymphozyten molekulare „Bremsen“, die so genannten „Checkpoints“, auslösen. Mit der Eigenschaftsbestimmung der beteiligten Chemokine und deren Rezeptoren konnte Mantovani zeigen, wie chronische Entzündungen Krebs den Weg ebnen und die Metastasenbildung fördern. Diese Studien leiteten ein Umdenken in Bezug auf Krebs ein, weg von der Tumorzellen fokussierten Sichtweise hin zu einem breiteren Blickwinkel, der auch die schädigende Wirkung und „Zähmung“ von Immunzellen umfasste, als grundlegenden Bestandteil der „ökologischen Nische“ von Neoplasien. Aus dieser veränderten Sichtweise heraus werden nun Ansätze für Immuntherapien entwickelt, die bei den „Checkpoints“ und „korrupten Polizisten“ ansetzen.

Professor Michel C. Nussenzweig entdeckte bei seiner bahnbrechenden Arbeit breit neutralisierende Antikörper gegen HIV-1 und stellte fest, dass diese ein sicheres und wirksames Immunotherapeutikum für infizierte Menschen darstellen. Nussenzweig widmete sich einem grundlegenden Problem der Immunologie – dem Mangel an detaillierten Erkenntnissen zur Antikörperreaktion im menschlichen Körper – indem er robuste, skalierbare Verfahren zum Klonen von Antikörpergenen aus einzelnen menschlichen B-Zellen entwickelte. Diesen Ansatz nutzte er zunächst, um fest-zustellen, wie sich bei normalen Individuen die Toleranz entwickelt, und später dann für die Forschung zu Antikörpern gegen HIV-1.

Die Ergebnisse seiner vorklinischen Studien führten Nussenzweig zu klinischen Phase-1-Studien an HIV-1-infizierten Personen. Seine bahnbrechenden Studien an Menschen ergaben, dass Antikörper eine sichere und wirksame Methode für Präven-tion und Therapie von HIV-1 beim Menschen darstellen. Darüber hinaus aktivierten die Infusionen mit Antikörpern eine endogene Immunantwort des Wirts gegen den Virus und beschleunigten die Heilung von Virus und infizierten Zellen. Anhand seiner Ergebnisse schlug Nussenzweig vor, Antikörper viertel- oder halbjährlich zu verabreichen, zur Behandlung oder als passiven Schutz beim Menschen. Zur Erprobung dieser Idee laufen derzeit klinische Studien.

Professor Kai Simons erhielt die Robert-Koch-Medaille in Gold für sein Lebenswerk, insbesondere für die Charakterisierung von membranbildenden Lipiden und die Etablierung des Lipid Raft Modells. Sein Spezialgebiet ist die Zellmembran, jene hauchdünne, aus einer Doppelschicht von Fettmolekülen („Lipiden“) bestehende Hülle, die jede Zelle des menschlichen Körpers umschließt. Lange Zeit stellte man sich darunter nur eine weitgehend uniforme, flüssige Matrix vor. Es ist das besondere Verdienst von Kai Simons, die große Dynamik und Funktionsvielfalt der Zell-membran deutlich gemacht zu haben. Er entdeckte in der Lipid-Doppelschicht der Zellmembran inselartige Strukturen, die ihn an Flöße aus Baumstämmen erinnerten, wie sie finnische Holzarbeiter über das Wasser treiben lassen – daher der Name „Lipid Rafts“ (nach dem engl. Wort für „Floß“). Allerdings sind diese Nanodomänen dynamisch. Ihre Größe fluktuiert, und sie können sich zu flüssigen Plattformen zu-sammenballen, die eine wichtige Rolle bei der Signaltransduktion und vielen weiteren Membranprozessen spielen.

Mit dem Lipid Rafts Modell verbinden sich neue Ansatzpunkte für Therapien, etwa bei neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer, bei denen Fehlfunktionen in Lipid Rafts eine Rolle spielen. Kai Simons fand zudem klare Hinweise darauf, dass viele Viren – darunter Influenza-, Ebola-, Masern und auch HI-Viren – Lipid Rafts benutzen, um in ihre Wirtszellen einzudringen oder sie wieder zu verlassen, indem sie sich mit Rafts aus der Zellmembran umhüllen.

Postdoktorandenpreise für junge Wissenschaftler

Die mit je 5.000 Euro dotierten Postdoktorandenpreise der Robert-Koch-Stiftung für herausragende Arbeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses wurden während des Festakts ebenfalls verliehen. Die Deutschen Gesellschaften für Hygiene und Mikrobiologie, Immunologie und Virologie haben ein Vorschlagsrecht.

Den Postdoktorandenpreis für Virologie erhielt Dr. Jens Bosse, Heinrich-Pette-Institut in Hamburg, für seine Untersuchungen zur Pathogenität von DNA-Viren. Dr. Alexander J. Westermann, Institut für Molekulare Infektionsbiologie, Universität Würzburg, bekam den Preis für Mikrobiologie in Anerkennung seiner Arbeiten zur Rolle und zum Nachweis kleiner RNA-Moleküle. Dr. Andreas Schlitzer, Life & Medical Sciences-Institut, Universität Bonn, wurde mit dem Preis für Immunologie in Aner-kennung seiner Untersuchungen zur Entwicklung und Differenzierung myeloischer Zellen ausgezeichnet.

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