Dick durch Weichmacher

Forscher finden verantwortliche Stoffwechselwege

20.01.2016 - Deutschland

In Kunststoffen sind immer Weichmacher enthalten, bspw. Phthalate. Über die Haut oder die Nahrung können sie in unseren Körper gelangen. Sie wirken auf unser Hormonsystem und stehen im Verdacht, Einfluss auf das Körpergewicht zu nehmen.

Jeder zweite Erwachsene in Deutschland ist übergewichtig. Bei Kindern und Jugendlichen sind es bereits rund 15 Prozent. „Die Zahlen sind alarmierend“, sagt Prof. Martin von Bergen, Leiter des Departments Molekulare Systembiologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). „Denn mit jedem Kilo, das zu viel ist, erhöht sich das Gesundheitsrisiko für Herzkreislauferkrankungen, Gelenkschäden, chronische Entzündungen und Krebs. Und die Zahl der Menschen mit Übergewicht steigt weltweit stetig an.“ Für die Entwicklung von Übergewicht gibt es viele Ursachen: Neben falschen Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel spielen sicherlich auch genetische Faktoren eine Rolle. Aber auch bestimmte Umweltschadstoffe – zum Beispiel Phthalate – können für die Entwicklung von Übergewicht mitverantwortlich sein. „In epidemiologischen Studien wurden bereits ernstzunehmende Zusammenhänge zwischen erhöhten Phthalat-Konzentrationen im menschlichen Körper und der Entwicklung von Übergewicht nachgewiesen und sollten deswegen weitergehend mechanistisch untersucht werden“, sagt von Bergen.

In der Kunststoffverarbeitung werden Phthalate als Weichmacher eingesetzt, um Kunststoffe weich, biegsam oder dehnbar zu machen. Unter bestimmten Bedingungen können Phthalate aber auch aus dem Material austreten und über die Nahrung in unseren Körper aufgenommen werden. Bei Lebensmittelverpackungen treten Phthalate insbesondere in fetthaltige Produkte über, beispielsweise in Käse oder Wurst. Von Bergen: „Bislang ist kaum etwas darüber bekannt, wie genau Phthalate im Körper wirken, und wie sie Einfluss auf das Körpergewicht nehmen können – und genau da wollten wir mit unserer Studie ansetzen.“

Von Bergen und sein UFZ-Team haben die Studie in Kooperation mit Forschern des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas Erkrankungen der Universität und des Universitätsklinikums Leipzig um PD Dr. Nora Klöting und Prof. Matthias Blüher (Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Mechanismen der Adipositas“) durchgeführt, die kürzlich im Fachmagazin PLOS ONE veröffentlicht wurde. Ihre Ergebnisse zeigen, wo Phthalate in den Stoffwechsel eingreifen und den Weg für eine Gewichtszunahme ebnen können. In Untersuchungen an der Universität Leipzig nahmen Mäuse, die dem Phthalat DEHP im Trinkwasser ausgesetzt waren, deutlich an Gewicht zu. Dies war vor allem bei den weiblichen Tieren der Fall. „Phthalate greifen ganz offensichtlich massiv in den Hormonhaushalt ein. Bereits in geringen Konzentrationen führen sie zu deutlichen Veränderungen, wie beispielsweise der Gewichtszunahme“, sagt von Bergen.

Der Schwerpunkt der Arbeiten am UFZ lag auf der Charakterisierung der Stoffwechselprodukte im Blut der Mäuse. Die Forscher stellten fest, dass der Anteil ungesättigter Fettsäuren im Blut unter Phthalat-Einwirkung zunahm und der Glukosestoffwechsel gestört war. Daneben war auch die Zusammensetzung von im Blut befindlichen Rezeptoren verändert, die für den Gesamtstoffwechsel wichtig sind und zu einer Umstellung des Stoffwechsels führen können. „Einige Stoffwechselprodukte, die vom Fettgewebe gebildet werden sind unter anderem auch als Botenstoffe aktiv und steuern Funktionen in anderen Organen“, erläutert von Bergen. „Noch ist aber nicht abschließend geklärt, wie sich die unterschiedlichen Effekte von Phthalaten auf den Stoffwechsel untereinander beeinflussen und letztlich zu einer Gewichtszunahme führen.“

Gemeinsam mit seinen Kollegen von der Universität und des Universitätsklinikums Leipzig wird von Bergen den Einfluss von Phthalaten auf den Stoffwechsel weiter erforschen. Ihre Wirkung auf die Entwicklung frühkindlicher Erkrankungen untersucht er darüber hinaus gemeinsam mit UFZ-Kollegen aus dem Department Umweltimmunologie im Rahmen der Mutter-Kind-Studie LiNA. „Unser Ziel ist es, solide Grundlagenforschung zu betreiben, damit unsere Ergebnisse dann den für die Risikobewertung von Chemikalien zuständigen Behörden auf deutscher und europäischer Ebene helfen können, ihre Bewertungen vorzunehmen“, so von Bergen.

Originalveröffentlichung

Feltens R, Roeder S, Otto W, Borte M, Lehmann I, von Bergen M, Wissenbach DK; "Evaluation of Population and Individual Variances of Urinary Phthalate Metabolites in Terms of epidemiological Studies"; Journal of Chromatography & Separation Techniques (accepted)

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