Zellen verdichten bei Sauerstoff- und Nährstoffmangel ihre DNA

11.11.2015 - Deutschland

Wissenschaftler am Institut für Molekulare Biologie (IMB) haben erstmals die dramatischen Veränderungen der DNA in Zellen beobachtet, die nicht genug Sauerstoff und Nährstoffe erhalten. Dieser "ausgehungerte" Zustand ist typisch für einige der häufigsten Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs. Die Forschungsergebnisse einer aktuellen Studie liefern nun neue Einblicke darüber, welche Schäden diese Krankheiten verursachen, und könnten zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden beitragen.

Aleksander Szczurek, Ina Kirmes

Dramatische Effekte der Ischämie: Die beiden Bilder zeigen DNA in einem Zellkern unter normalen (links) und ischämischen (recht) Bedingungen. Die am Institut für Molekulare Biologie entwickelte neue Technik für superauflösende Mikroskopie zeigt, dass sich die DNA zu ungewöhnlichen, engen Haufen verdichtet, wenn die Zellen nicht mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt sind.

Wenn ein Mensch einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleidet, wird die Blutzufuhr zu einem Teil seines Herzens oder Gehirns unterbrochen. Entsprechend kommt es zu einer Unterversorgung der dortigen Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen. Dieser Zustand der Mangeldurchblutung, der auch als Ischämie bezeichnet wird, kann zu langfristigen und irreparablen Schäden führen. Ina Kirmes, Doktorandin in der Gruppe von Dr. George Reid am IMB, hat untersucht, was genau mit der DNA in diesen Zellen passiert, die von der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung abgeschnitten sind.

In einer gesunden Zelle sind große Teile der DNA offen zugänglich, sodass Gene einfach abgelesen werden können. Forscher am IMB konnten jetzt zeigen, dass sich während einer Ischämie die Anordnung der DNA dramatisch verändert: Die DNA verdichtet sich. Die Gene in solchen kompakten Regionen können von der Zelle nicht mehr ausgelesen werden, ihre Aktivität ist damit stark reduziert. Falls die Blutversorgung nicht wieder hergestellt wird, fährt die Zelle schließlich ihren Betrieb herunter oder stirbt sogar. Wenn beispielsweise die Zellen im Herzen eines Menschen nicht mehr richtig funktionieren, hört dieser Teil des Herzmuskels auf, sich zusammenzuziehen, und das Herz versagt. Ganz ähnlich verhält es sich im Gehirn: Ist die Blutzufuhr zu Zellen unterbrochen und damit auch die Zufuhr von Nährstoffen, so sterben die Nervenzellen ab.

"Bei einem Schlaganfall oder bei einem Herzinfarkt passiert wahrscheinlich genau dies mit der DNA", erklärt Dr. George Reid. "Da wir jetzt wissen, was in der Zelle geschieht, können wir nach Wegen suchen, dieser Verdichtung der DNA vorzubeugen."

Der Schlüssel zu dieser Entdeckung war eine enge Zusammenarbeit mit Aleksander Szczurek, gemeinsam mit Ina Kirmes Erstautor der Studie, der in der Gruppe von Prof. Dr. Christoph Cremer am IMB tätig ist. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher nutzten eine neue Methode, mit der die DNA in der Zelle in bisher unerreichter Genauigkeit dargestellt werden kann, eine Weiterentwicklung der superauflösenden Lichtmikroskopie. Hierbei werden blinkende Farbstoffe eingesetzt, die an die DNA binden und es so den Forschern ermöglichen, die Lage von einzelnen Molekülen in Zellen nachzuverfolgen.

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