Krebszellen mit „Achillesferse“

Ohne das Enzym Ark5 können viele Tumorzellen nicht überleben

02.04.2012 - Deutschland

Wissenschaftler der Universität Würzburg haben gemeinsam mit Kollegen vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig bei bestimmten Typen von Krebszellen eine Schwachstelle entdeckt, die sich als viel versprechender Angriffspunkt für neuartige Medikamente anbieten könnte. Die Pharmaindustrie hat bereits ihr Interesse an der Entdeckung bekundet.

Wie alle anderen Körperzellen gewinnen Krebszellen aus der Nahrung die notwendige Energie, um ihren Stoffwechsel aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig aber verwenden sie einen großen Teil ihrer Nahrung, um daraus neue Zellbausteine aufzubauen, sich zu teilen und zu vermehren. Weil Nahrung immer nur begrenzt vorhanden ist, arbeitet in Zellen eine Art „Wächter“, der darauf achtet, dass für beide Aufgaben immer genügend Ressourcen verwendet werden, und der das Wachstum begrenzt, wenn der Zelle nicht ausreichend Energie für normale Stoffwechselvorgänge zur Verfügung steht.

Was passiert, wenn man diesen Wächter an seiner Arbeit hindert, haben Professor Martin Eilers und Dr. Daniel J. Murphy vom Biozentrum der Universität Würzburg in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team erforscht. 

Das Ergebnis: „Wenn die Krebszelle keine Rückmeldung mehr darüber erhält, dass ihr Energiehaushalt aus dem Gleichgewicht geraten ist, verschwendet sie ihre gesamten Ressourcen aus der Nahrung darauf, zu wachsen und sich zu teilen“, erklärt Martin Eilers, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie und Molekularbiologie an der Universität Würzburg. Die Zelle verausgabt sich dabei so sehr, dass ihr am Ende keine Energie mehr für die normalen Stoffwechselvorgänge in ihrem Inneren bleibt. Tatsächlich stirbt die Krebszelle ohne den Warnruf des Wächters, wie die Forscher zeigen konnten.

Auf den „Wächter“ waren die Forscher durch Zufall gestoßen. In großen Reihenuntersuchungen hatten sie gezielt Enzyme, sogenannte Kinasen, in Krebszellen abgeschaltet und dann die Folgen kontrolliert. Im Fall der Ark5-Kinase hatten sie einen Volltreffer gelandet. „Diese Kinase eignet sich als Angriffspunkt für potenzielle neue Medikamente“, sagt Daniel J. Murphy, Gruppenleiter am Lehrstuhl für Physiologische Chemie II der Universität Würzburg. In Experimenten hätten sich Krebszellen an dieser Stelle als verwundbar gezeigt. Zum Beispiel bei Mäusen, die an Leberkrebs erkrankt waren: In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Lars Zender am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig legten die Forscher das Gen für die Ark5-Kinase in Lebertumoren gezielt still. „Wir konnten dadurch zeigen: Tumore, in denen die Bildung von  Ark5 unterdrückt ist, bilden sich zurück und die Mäuse leben länger“, erklärt Lars Zender.

Gleichzeitig – und zur Überraschung der Wissenschaftler – hat sich in den Versuchen gezeigt, dass normale Zellen von einer Blockade der Kinase weitgehend unberührt bleiben. „Warum das so ist, verstehen wir noch nicht bis ins letzte Detail“, sagt Murphy. Und möglicherweise zeigen sich nach längerer Zeit auch an dieser Stelle Auswirkungen. Dennoch: „Wichtig im Hinblick auf eine potenzielle Therapie ist die Tatsache, dass sich an dieser Stelle normale von Krebszellen unterscheiden“, so Murphy.

Ob damit auch neue Ansätze für die Therapie einhergehen könnten, müsse die Zeit zeigen. In der Zellkultur und im Tierversuch habe die Methode jedenfalls an Darm- und Leberkrebszellen ihre Wirksamkeit bewiesen. Inwieweit auch andere Krebsarten sich auf diese Weise in den Tod treiben lassen, müsse im Rahmen weiterer Studien untersucht werden.

Immerhin hat die Pharmaindustrie bereits großes Interesse an den Ergebnissen des  Forscherteams gezeigt; eine Zusammenarbeit wird bald starten. Vor verfrühten Hoffnungen warnen die beteiligten Wissenschaftler allerdings: Es seien noch jede Menge Studien notwendig, bis ein abschließendes Urteil über den neuen Ansatz einer Krebstherapie möglich sei.

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