Fatale Ketten-Reaktion

24.09.2010 - Deutschland

Was passiert auf molekularer Ebene, wenn sich eine normale Körperzelle in eine Tumorzelle verwandelt? Wissenschaftler vom Biozentrum der Universität Würzburg haben jetzt ein weiteres Detail in dem komplizierten Geschehen aufklären können.

Viele Körperzellen sind im Prinzip nichts anderes als miniaturisierte, aber doch höchst aktive Chemiefabriken. Permanent werden in ihnen bestimmte Proteine hergestellt, die an anderer Stelle ihre Aufgaben verrichten und an einer dritten Stelle wieder abgebaut werden. Dieser Prozess ist im Normalfall exakt austariert. Bringt jedoch eine Störung die Abläufe aus dem Gleichgewicht, kann sich die betroffene Zelle unter Umständen zur Tumorzelle verwandeln. Sie wächst und teilt sich dann unkontrolliert weiter.

Neue Entdeckung an einem zentralen Protein

Eine tragende Rolle in diesem Geschehen trägt ein Protein mit dem wissenschaftlichen Namen „Myc“. „Myc-Proteine sind zwingend notwendig, damit Zellen normal wachsen und sich teilen können“, erklärt Dr. Nikita Popov. Popov ist Nachwuchsgruppenleiter am Lehrstuhl für Physiologische Chemie II der Universität Würzburg; bei seinen Untersuchungen der Myc-Proteine ist ihm jetzt eine wichtige Entdeckung geglückt.

Zellen brauchen Myc - aber bitte nur in einer bestimmten Dosierung. „Wenn zu viel von dem Protein vorhanden ist, teilen sich die Zellen vermehrt und bilden Tumore“, sagt Popov. Dazu kommt es aber normalerweise nicht, weil die Myc-Proteine in der Regel knapp 30 Minuten nach ihrer Synthese von der Zelle selbst wieder zerstört werden.

Proteinketten geben das Abbausignal

Und woher weiß die Zelle, dass sie das Protein abbauen muss? Ganz einfach: Weil das Protein sozusagen eine Art Aufkleber erhält mit der Aufschrift: „Bitte abbauen!“. „Dafür lagert sich eine Kette bestehend aus einem anderen Protein namens Ubiquitin an das Myc-Protein. Das ist das Zeichen für bestimmte Enzyme, dass sie hier mit der Arbeit beginnen können“, sagt Popov.

Wie der Wissenschaftler jetzt herausfand, kann es allerdings auch mit diesen Ketten Probleme geben: „Die Bestandteile der Ketten müssen auf eine ganz bestimmte Art und Weise miteinander verbunden sein, damit sie als Zeichen erkannt werden.“ Diese Art von Kette, die zum Abbau führt, wird von einem Protein namens Fbw7 an Myc angeheftet. „Interessanterweise fehlt dieses Fbw7 häufig in menschlichen Tumorzellen“, so Popov.

In der Verknüpfung liegt der Unterschied

Nikita Popov hat nun herausgefunden, dass ein weiteres Eiweißmolekül namens beta-TrCP genau an dieselbe Stelle der Myc-Proteine Ubiquitin-Ketten anheften kann, die jedoch auf eine andere Art und Weise miteinander verknüpft sind. Während die von Fbw7 gebildeten Ketten zum Abbau führen, werden die von TrCP angehefteten Ketten nicht als Signal zum Abbau erkannt. Dies führt dazu, dass Myc stabilisiert wird, was dafür sorgt, dass die Myc-Konzentration in der Zelle nicht zu stark absinkt.

„Es ist bekannt, dass bestimmte Krebszellen zu viel beta-TrCP produzieren. Das könnte der Grund sein, weshalb sie zu viel Myc in sich tragen und in der Folge entarten“, sagt Popov. Seine neue Erkenntnis zeigt jetzt, dass Ubiquitin-Ketten nicht nur als Abbausignal dienen können. Bei einer bestimmten Art der Verknüpfung können sie auch als „Stopp-Signal“ dienen und den Abbau eines Proteins verzögern. Auf diese Art kann eine normale Zelle ihre Protein-Level regulieren. Kommt dieses Regulationssystem jedoch aus dem Gleichgewicht, beispielsweise durch zuviel beta-TrCP oder zuwenig Fbw7, kann das die fatale Folge haben, dass eine normale Zelle zur Krebszelle entartet.

Originalveröffentlichung: Nikita Popov, Christina Schülein, Laura A. Jaenicke and Martin Eilers; "Ubiquitination of the amino-terminus of Myc by SCFbeta-TrCP antagonizes SCFFbw7-mediated turnover"; Nature Cell Biology 2010

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