So schnell wie nie: Das Rennen um einen Corona-Impfstoff

Grünes Licht für erste klinische Studie in Deutschland

23.04.2020 - Deutschland

(dpa) Es ist erstmal nur ein kleiner Schritt, doch die Hoffnungen dahinter sind riesig: In Deutschland können die ersten Tests am Menschen mit einem Corona-Impfstoff starten. Bislang gibt es weltweit nur eine Handvoll solcher Studien. Ein Impfstoff gilt als das zentrale Mittel im Kampf gegen Covid-19 - und somit auch für den Weg zurück in die gesellschaftliche Normalität. Doch noch ist völlig unklar, wann es das heiß ersehnte Mittel wirklich geben wird.

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Vor wenigen Jahren noch wurden für eine Impfstoff-Entwicklung 15 bis 20 Jahre veranschlagt. In der Corona-Krise soll alles viel schneller gehen (Symbolbild).

Das Paul-Ehrlich-Institut gab am Mittwoch bekannt, dass es erstmals eine Zulassung für die klinische Prüfung eines Impfstoff-Kandidaten erteilt. Das Unternehmen BioNTech mit Sitz in Mainz darf nun sein Mittel - einen sogenannten RNA-Impfstoff - zunächst an etwa 200 gesunden Freiwilligen testen. Dabei geht es grundlegend um Verträglichkeit und auch Wirksamkeit des Impfstoffs.

Dass noch in diesem Jahr ein erster zugelassener Impfstoff für die Impfung der Bevölkerung bereit steht, hält PEI-Präsident Klaus Cichutek für unwahrscheinlich. «Solche Vorhersagen sind mit aller Vorsicht zu genießen.» Er geht davon aus, dass in diesem Jahr insgesamt vier klinische Studien mit einem Impfstoffkandidaten in Deutschland starten werden.

Die Entwicklung und Prüfung des jetzt zugelassenen Impfstoff-Kandidaten erfolgte mit beeindruckender Geschwindigkeit: Erst Mitte Januar haben die BioNTech-Wissenschaftler mit der Erarbeitung eines Konzepts begonnen. Ende Januar begannen die Forschungsarbeiten des «Lichtgeschwindigkeit» betitelten Programms. Das Zulassungsverfahren konnte schließlich in nur vier Tagen abgeschlossen werden.

Dennoch bleiben Entwicklung und klinische Prüfung eines potenziellen Impfstoffs eine langwierige Angelegenheit. Vor wenigen Jahren noch wurde dafür ein Zeitraum von 15 bis 20 Jahren veranschlagt. Neue, moderne Technologien können den Prozess beschleunigen, doch die Sicherheit des Wirkstoffes müsse bestätigt und Nebenwirkungen ausgeschlossen werden, betont Cichutek.

Bei der Entwicklung eines Impfstoffes setzt die Forschung auf ein stufenweises Vorgehen: Impfstoffkandidaten werden zunächst in Zell- und Tierversuchen auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet. Bei positiven Ergebnissen dieser präklinischen Untersuchungen können die Impfstoffe an Menschen getestet werden. Vor der eigentlichen Zulassung als Impfstoff durchläuft ein Kandidat in der Regel drei Phasen der klinischen Prüfung, in denen Verträglichkeit, Sicherheit, Wirksamkeit und Anwendungsschemata getestet werden. Nach und nach werden immer mehr Probanden eingeschlossen.

In der von BioNTech geplanten Studie sind die Phasen I und II der klinischen Prüfung kombiniert, gewonnene Daten werden sukzessive eingereicht, um zu einem späteren Zeitpunkt etwa auch Teilnehmer aus Risikogruppen zu impfen. Drei weitere Impfstoff-Kandidaten stehen zur Prüfung bereit.

Die erste klinische Studie für einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 startete im März in den USA. Bei der von dem Unternehmen Moderna entwickelten Kandidaten handelt es sich ebenfalls um einen mRNA-Impfstoff. Anfang April ist ein weiterer Kandidat des US-Unternehmens Inovio in die klinische Prüfung eingetreten. In China sind ebenfalls einige Studien gestartet, weitere sind weltweit in Planung.

Aber: Längst nicht alle Kandidaten erweisen sich als erfolgreich und schaffen es durch alle Studien-Phasen bis zur Zulassung. «Es ist ein sehr langer Weg zu einem sicheren Impfstoff. Die Stolpersteine dabei sind unkalkulierbar. Das wird wahrscheinlich von vielen unterschätzt», sagt Bernhard Fleckenstein, emeritierter Direktor des Virologischen Instituts der Universität in Erlangen. Wir seien noch weit entfernt davon, dass ein großer Pharmakonzern eine wirksame und unschädliche Massenimpfung auf den Markt bringe.

Wie mühselig das Prozedere sein kann, zeigt unter anderem die Entwicklung eines Impfstoffes gegen ein anderes Coronavirus, das Mers-Coronavirus, das erstmals 2012 nachgewiesen wurde. Seit 2014 arbeiten Partner im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) an der Entwicklung einer Impfung gegen den Erreger. Am Dienstag - sechs Jahre nach Beginn der Arbeiten - stellten die Wissenschaftler die Ergebnisse der ersten klinischen Prüfung ihres Impfstoffkandidaten an 23 Freiwilligen vor. Die Ergebnisse seien ermutigend - und sollen nun dabei helfen, auch einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 zu entwickeln.

Solche Erfahrungen aus bisherigen Impfstoff-Projekten können nach Ansicht von PEI-Präsident Cichutek dabei helfen, schneller in die klinische Prüfung zu kommen. «Man kann auf manche Untersuchung verzichten, kritische müssen in jedem Fall gemacht werden.»

Weltweit sind nach Angaben des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) mindestens 80 Corona-Impfstoffprojekte angelaufen, die meisten Mittel werden noch nicht am Menschen getestet. Viele derzeitige Impfstoff-Kandidaten sind wie der RNA-Impfstoff-Kandidat von BioNTech genbasiert. Zugelassen für die Anwendung beim Menschen ist aber noch keiner dieser genbasierten Impfstoffe.

Auch das Tübinger Unternehmen CureVac arbeitet gegen Covid-19 an einem RNA-Impfstoff. Im Frühsommer soll eine klinische Phase-1-Studie starten, läuft alles nach Plan soll nach Unternehmensangaben im Herbst eine Phase-2-Studie mit mehreren Teilnehmern starten.

Ehrgeizige Pläne meldete unterdessen ein Schweizer Immunologe. Er hat nach eigenen Angaben einen Impfstoff-Kandidaten entwickelt, der nach erfolgreichen Prüfungen möglicherweise noch in diesem Jahr zum Einsatz kommen könnte. Martin Bachmann vom Universitätsspital Bern will die nötigen Studien und Genehmigungsverfahren so schnell durchlaufen, dass er schon im Oktober Massenimpfungen in der Schweiz für möglich hält. Die Aufsichtsbehörde Swissmedic bestätigte Gespräche mit Bachmann und anderen Forschern, die an Wirkstoffen gegen Sars-CoV-2 arbeiten. «Der Zeitplan ist äußerst optimistisch, aber er ist nicht komplett an den Haaren herbeigezogen», sagte Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi der Deutschen Presse-Agentur. Eine Phase-I-Studie soll Bachmann zufolge im Juli starten.

Weltweit müssen nach Ansicht von Cichutek mehrere Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 entwickelt und zugelassen werden. Auch die Produktion der Impfstoffe müsse auf mehrere Schultern verteilt werden. «Der Bedarf ist immens.»

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