BGH: Drittmittel-Einwerbung muss strengsten Richtlinien unterliegen

24.05.2002
   Karlsruhe (dpa) - Die gewünschte Einwerbung von so genannten Drittmitteln zur Finanzierung medizinischer Forschung in Deutschland muss nach Meinung des Bundesgerichtshofes (BGH) den strengsten gesetzlichen Regeln unterliegen. Sonst bestehe die Gefahr, dass Professoren ihre guten Kontakte zur Industrie zum eigenen Vorteil nutzten. Transparenz und Kontrolle müssten gewährleistet bleiben, um das Vertrauen in die Unbestechlichkeit der Forscher zu erhalten und die Gefahr einer «Drittmittel-Schattenwirtschaft» abzuwenden, hieß es am Donnerstag in Karlsruhe (Aktenzeichen: 1 StR 372/01 - Urteil vom 23. Mai 2002). Der 1. BGH-Strafsenat sprach aber zugleich den angesehenen Heidelberger Herzchirurgen Siegfried Hagl vom Vorwurf der Untreue frei. Der Mediziner war Anfang 2001 vom Landgericht Heidelberg wegen Untreue und Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe von gut 102 000 Euro verurteilt worden. Dem Professor wird vorgeworfen, Anfang der 90er Jahre von einem Medizingerätehersteller, der das Heidelberger Klinikum mit Herzklappen und Herzschrittmachern belieferte, fünf Prozent des Umsatzes als «Boni» angenommen zu haben. Diese rund 83 000 Euro hatte Hagl nicht direkt an die Universitätsverwaltung weitergeleitet, sondern an einen von ihm gegründeten gemeinnützigen Förderverein «Freunde und Förderer der Herzchirurgie», dessen Vorsitzender er ist. Der Verein finanzierte mit dem Geld zum Beispiel neue medizinische Geräte für die Heidelberger Herzchirurgie. Nach Überzeugung der Karlsruher Richter ist der Universität somit kein Schaden im Sinne des Untreuetatbestandes entstanden. Hagl habe sich an den Bonuszahlungen auch nicht persönlich bereichert, weil er die Gelder ausschließlich für die Forschung eingesetzt habe. Hintergrund ist das juristische Problem, dass es einerseits zu den Dienstaufgaben eines Professors gehört, Drittmittel einzuwerben. Andererseits muss er solche Gelder entsprechend den universitären Vorschriften behandeln und darf vor allem keine Geldzahlungen als Gegenleistung für die Gerätebestellungen annehmen. Die Gründung des Fördervereins begründete Hagl damit, dass die Drittmittel-Verwaltung seiner Universität «sehr ineffizient» sei. Dies ist nach Meinung der BGH-Richter aber kein Grund, bestehende Gesetze zu umgehen. So sehe das baden-württembergische Universitätsgesetz vor, dass Professoren durchaus zweck- und personengebundene Drittmittel einwerben dürfen, wenn sie eine Genehmigung dafür haben. Hätte Hagl sich eine Erlaubnis geholt, wäre auch der Vorwurf der Vorteilsannahme vom Tisch. So verwiesen die BGH-Richter den Fall bezüglich des Vorwurfs der Vorteilsannahme an das Landgericht Heidelberg zurück. Vorteilsnahme liege bereits vor, wenn ein Angeklagter sich mit seinem Handeln bessere Arbeits- und Forschungsbedingungen verschafft habe. Dies könne im Fall Hagl «gerade noch» vorliegen, da Hagl seine Mitteleinwerbung nicht offen gelegt habe, sagte der Vorsitzende Richter des 1. BGH-Strafsenats, Gerhard Schäfer. Die BGH-Richter legten dem Landgericht Heidelberg aber auch in diesem Vorwurf die Einstellung des Verfahrens nahe.    Schäfer stellte schon während der Verhandlung fest, dass sich der Fall wesentlich von den so genannten «Herzklappenskandalen» Mitte der 90er Jahre unterscheide. Die Zuwendungen der Firma hätten keinerlei Einfluss auf die Preise der Geräte gehabt; zudem seien die Bestellungen korrekt gewesen.

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