16.10.2017 - Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI)

Grippeimpfstoffe ohne Tierversuche entwickeln

»FluType« gewinnt Landespreis für Alternativmethoden für Tierversuche in Forschung und Lehre

Bei der Entwicklung aktueller Grippeimpfstoffe auf Tierversuche zu verzichten, ist das Ziel von »FluType«, einer peptidbasierten Subtypisierungsplattform für Influenzaviren. Die Entwickler des neuartigen in-vitro Analyseverfahrens – ein Team von Universität Potsdam, Robert Koch-Institut und Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB – sind in Berlin mit dem Landespreis für Alternativmethoden für Tierversuche in Forschung und Lehre ausgezeichnet worden. Den mit 25.000 Euro dotierten Preis vergeben die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, der Verband der forschenden Pharmaunternehmen, das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin sowie die Tierärztekammer Berlin.

Jahr für Jahr muss die Zusammensetzung des Grippeimpfstoffes überprüft und angepasst werden, um gegen das sich ständig verändernde Virus wirksam zu sein. Für diese Tests finden weltweit Tausende Tierversuche an Frettchen und anderen Tieren statt. Das Projekt »FluType: Entwicklung einer peptidbasierten Subtypisierungsplattform für Influenzaviren« hat sich zum Ziel gesetzt, für diese Impfstofftests ein schnelles in-vitro Analyseverfahren zu entwickeln.

Im regionalen Großforschungsprojekt »Taschentuchlabor – Impulszentrum für Integrierte Bioanalyse« liegt der Grundstein für die Entwicklung des innovativen Analyseverfahrens. Dort gelang es, kleine Proteine, sogenannte Peptide, zu identifizieren, die die Influenzaviren spezifisch binden. Mithilfe einer Vielzahl dieser Peptide ist eine Subtypisierung von Influenzaviren in Zukunft möglich. »Peptide erhalten zunehmende Bedeutung als Liganden in biotechnologischen Anwendungen als auch als Pharmazeutika«, sagt Projektleiter Prof. Dr. Frank Bier, Abteilungsleiter am Fraunhofer IZI-BB und Professor für Molekulare Bioanalytik und Bioelektronik an der Universität Potsdam. »Im FluType-Projekt wollen wir nun Peptide nutzen, um verschiedene Influenzastämme voneinander zu unterscheiden. Das Proof-of-Principle anhand einiger weniger Influenzastämme konnten wir im Rahmen des Taschentuchlabors bereits zeigen«. Kernstück des FluType-Projekts bildet ein peptidmodifzierter Biochip, der bei Bindung verschiedener Influenzastämme unterschiedliche Bindungsmuster produziert. »Mit unserem Analyseverfahren würde die Subtypisierung der Influenzaviren nur noch wenige Stunden dauern – anstatt wie bisher mehrere Wochen«, erklärt Dr. Henry Memczak, Nanotechnologe und Biochemiker an der Universität Potsdam. »Damit kann das FluType-Projekt einen enormen Beitrag zur Vereinfachung und Verbesserung der jährlichen Impfstoffempfehlung leisten«.

Das im Rahmen der Initiative VIP+ vom BMBF geförderte Projekt läuft bis Mitte 2019, um das Analyseverfahren für weitere Influenzastämme zu validieren. Für die anschließende Kommerzialisierung wurden grundlegende Elemente bereits zum Patent angemeldet. »Um unser Analyseverfahren tatsächlich in die Anwendung zu überführen, müssen wir nun beweisen, dass unsere experimentellen Daten mit denen der Tierversuche vergleichbar sind«, betont Dr. Marc Hovestädt, Biotechnologe an der Universität Potsdam. »Wenn uns dies gelingt, könnte das Sterben vieler Tausend Tiere jährlich enden. Wir freuen uns daher sehr, dass unsere Arbeit mit diesem Preis ausgezeichnet wird«.

Die »FluType«-Forscher erhielten den Preis gemeinsam mit Dr. Philipp Mergenthaler und Dr. Harald Stachelscheid von der Charité Universitätsmedizin Berlin, die für die »Entwicklung stammzellbasierter humaner 2D und 3D Modelle des Gehirns als Alternative zu Tiermodellen zur Untersuchung pathophysiologischer Mechanismen und zur Wirkstoffforschung im Schlaganfall« ausgezeichnet wurden.

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