Keime im Krankenhaus schnell und sicher diagnostizieren

Vollautomatisierte Laborstraße für Patienten-Screening und mikrobiologische Diagnostik

18.04.2016 - Deutschland

Ist ein neu aufgenommener Patient Träger von potentiell gefährlichen Bakterien? Welche Keime überschwemmen den Körper bei einer Blutvergiftung (Sepsis)? Sind diese resistent gegen die gängigen Antibiotika? Mit welchen Erregern ist eine Wunde infiziert? Diese Kernfragen der mikrobiologischen Diagnostik sollen am Universitätsklinikum Heidelberg zukünftig deutlich schneller und mit konstant hohem Qualitätsstandard beantwortet werden können. Gemeinsam mit dem regionalen Partner, dem Medizintechnologieunternehmen BD, hat das Klinikum am 14. April 2016 eine vollautomatisierte Laborstraße für Patienten-screening und mikrobiologische Diagnostik eröffnet. Die Inbetriebnahme der Anlage – eine Premiere an einer deutschen Universitätsklinik - gibt außerdem den Startschuss für eine Studie, in der untersucht wird, inwieweit die Automatisierung dazu beitragen kann, die Verbreitung von Keimen in der Klinik zu vermeiden und den Umgang mit Antibiotikaresistenzen zu verbessern. Beides sind zentrale Herausforderungen für Versorgungseinrichtungen im deutschen Gesundheitswesen.

Universitätsklinikum Heidelberg

Kulturschalen werden in der Laborstraße automatisch transportiert, ausgewertet und Bilddaten aufgenommen.

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Die neue vollautomatisierte Laborstraße für Patienten-Screening und mikrobiologische Diagnostik am Universitätsklinikum Heidelberg.

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Feierliche Eröffnung der Laborstraße: Silvia Hardenbol und Patrick R. Murray von BD, Irmtraut Gürkan, Prof. Dr. Klaus Heeg, Prof. Dr. Guido Adler von Uniklinikum Heidelberg.

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Die Laborstraße BD Kiestra™ TLA (Total Lab Automation) in der Abteilung für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene unter Leitung von Professor Dr. Klaus Heeg umfasst miteinander verbundene, vollautomatisierte Apparate und Vorrichtungen, um Bakterienkulturen aus Patientenproben anzulegen und zu sortieren, elektronische Bilder aufzunehmen und zu verarbeiten sowie die Kulturschalen zu den angeschlossenen Arbeitsplätzen und weiteren diagnostischen Geräten (z.B. Massenspektrometer) zu transportieren. Deutschlandweit sind bisher vier vergleichbare Systeme bei privaten Anbietern für mikrobiologische Diagnostik in Betrieb. Die automatisierte Laborstraße hat einen Wert von rund 3 Millionen Euro.

Ziel: Rund 26 Stunden nach Probeneingang mikrobiologisches Ergebnis liefern

„Mit Inbetriebnahme der neuen Laborstraße wollen wir zeigen, dass man auch an einem Universitätsklinikum mikrobiologische Diagnostik effizient, schnell und kostengünstig anbieten kann“, erklärte die Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg Irmtraut Gürkan. „Bei unklarer Diagnose werden Patienten isoliert, was Belastungen im Stationsablauf und Kapazitätseinschränkungen bedeutet. Eine schnelle Diagnose ist daher immer auch wirtschaftlich. Die enorm gestiegene Zahl von Laboranforderungen wäre im Übrigen ohne die Automation nur mit Hilfe von Personalaufwuchs zu bewältigen.“

Mikrobiologische Diagnostik auf dem Medizin-Campus hat entscheidende Vorteile: Gerade bei kritischen Infektionen wie einer Sepsis profitieren die Patienten davon, dass die Infektiologen schnell erreichbar sind und die behandelnden Ärzte hinsichtlich der passenden Antibiotika-Therapie vor Ort beraten können. Von einer möglichst schnellen und präzisen Diagnose hängt es auch ab, ob eine Ausbreitung resistenter Keime auf den Stationen verhindert werden kann. „Mit den verfügbaren und praktikablen Methoden sowie der üblichen zeitlichen Taktung im Krankenhausbetrieb lässt sich die mikrobiologische Diagnostik derzeit nicht weiter beschleunigen. Das können wir nur durch eine Automatisierung erreichen“, sagte Professor Heeg. In den nächsten Jahren soll die Automatisierung sukzessive auf die verschiedenen Arbeitsschritte und Diagnoseverfahren ausgeweitet werden. Ziel ist es, rund 26 Stunden nach Probeneingang ein Ergebnis liefern zu können, bisher vergehen zwischen 48 und 72 Stunden bis die Erreger identifiziert und mögliche Resistenzen ausgetestet sind.

„Die schnelle und zuverlässige Diagnostik von Infektionskrankheiten ist ein entscheidender Faktor für die Sicherheit von Patienten und den wirtschaftlichen Erfolg von Krankenhäusern. Unsere Laborvollautomationsanlagen leisten dazu einen wesentlichen Beitrag. Wir freuen uns, dass wir mit der Elite Universität Heidelberg einen zuverlässigen und kompetenten Partner gewonnen haben. Das hat Modellcharakter für universitäre Mikrobiologielabore“, sagte Silvia Hardenbol, Business Director Central Europe, BD Life Science, Diagnostic Systems.

Routine-Screening auf resistente Keime bei rund 40.000 Patienten pro Jahr

Im Rahmen einer begleitenden Studie werden die Wissenschaftler in Kooperation mit BD untersuchen, wie das neue System in Verbindung mit dem neu entwickelten bildgebenden Verfahren hilft, die Diagnosezeiten signifikant zu verkürzen. Geprüft wird dazu auch die Frage, wie sich eine vollautomatisierte Laborstraße im mikrobiologischen Labor eines Krankenhauses der Maximalversorgung mit immensem Probenaufkommen bewährt. Am Universitätsklinikum Heidelberg werden sämtliche neu aufgenommene Patienten, die ein erhöhtes Risiko tragen, mit resistenten Keimen besiedelt zu sein, routinemäßig getestet. Dazu zählen Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Altersheimen, Patienten aus anderen Krankenhäusern oder Kranke nach einem Aufenthalt in südlichen Ländern, in denen Resistenzen häufig sind. Insgesamt sind das rund 40.000 Patienten pro Jahr. Gleichzeitig läuft eines der deutschlandweit umfangreichsten Resistenz-Screenings. In Folge fallen täglich zwischen 7.000 und 8.000 zu begutachtende Anzuchtschalen an, Tendenz steigend.

Insgesamt erhoffen sich die Projektpartner folgende Verbesserungen: Schnellere Ergebnisse erlauben einen deutlich früheren Behandlungsbeginn mit dem passenden Antibiotikum, was voraussichtlich die Prognose der Patienten verbessert. Das gilt besonders bei der lebensgefährlichen Sepsis. Dank gezielt wirksamer Therapie müssen die Patienten weniger Zeit auf der Intensivstation bzw. im Krankenhaus verbringen. Zudem sollte sich der Gesamtverbrauch an Antibiotika im stationären Bereich verringern, denn die Zeit, in der vorsorglich möglichst breit wirksame Mittel gegen den noch nicht identifizierten Erreger gegeben werden, verkürzt sich. Risikopatienten, die nicht von resistenten Bakterien besiedelt sind, können früher aus der Quarantäne entlassen werden. All dies hat zudem zur Folge, dass die Behandlungskosten sinken. Abgleich und Auswertung der entsprechenden Daten vor und nach Einführung der Automatisierung wird im Rahmen der nun angelaufenen Studie zeigen, ob diese Ziele erreicht werden.

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