In einer ausgedehnten Studie unter Federführung von
Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät Leipzig und des
Universitätsklinikums konnte erstmals ein Zusammenhang
zwischen bestimmten genetischen Faktoren gezeigt werden,
die gleichzeitig den Anteil von pflanzlichen Sterolen im
Blut und die koronare Herzerkrankung beeinflussen. Diese
Daten sind von Bedeutung, weil pflanzliche Sterole häufig
in Lebensmitteln zugesetzt werden. Bei Menschen mit
bestimmten genetischen Konstellationen könnte dies negative
Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Wirkungsweise von Phytosterolen
Pflanzliche Sterole (Phytosterole) sind Bestandteil der
Zellwand von Pflanzen. Sie kommen in pflanzlichen Fetten
oder Ölen vor, wie sie aus Sonnenblumensamen, Weizenkeimen
oder Sojabohnen gewonnen werden. Sie sind strukturell dem
Cholesterin ähnlich und hemmen seine Aufnahme im Darm.
Aufgrund dieser cholesterinsenkenden Wirkung ist es weit
verbreitet, pflanzliche Sterole sogenannten "funktionellen
Lebensmitteln" wie Margarine oder Joghurts künstlich
zuzusetzen. Der menschliche Organismus verfügt über sehr
effiziente Mechanismen, solche für den Stoffwechsel nicht
benötigten Stoffe, sofort wieder auszuscheiden.
Ausgangspunkt für die Leipziger Studien
Bekannt ist, dass neben nahrungsbedingten Erhöhungen auch
die Genetik eine Rolle spielt. Es ist individuell
festgelegt, ob jemand generell zu einem hohen oder
niedrigen Sterolspiegel im Blut neigt, ähnlich wie bei
Cholesterin. Bislang konnte man auf dem DNA-Strang jedoch
noch nicht den verantwortlichen Abschnitt lokalisieren, der
für die unterschiedliche Ausprägung verantwortlich ist.
Ziel der Studie unter Leitung von Prof. Dr. Joachim Thiery
und Prof. Dr. Daniel Teupser war außerdem die Frage, ob
genetische Unterschiede bei der Sterolregulation einen
Einfluss auf das Risiko von Herzgefäßerkrankungen haben.
Verlauf der Studie
Zunächst wurden über 4.000 Blutproben untersucht. Bei jeder
dieser Proben wurden 500.000 der häufigen Genvarianten
bestimmt und geprüft, welche für einen hohen oder niedrigen
Sterolspiegel stehen. Dadurch fanden die Forscher drei
voneinander unabhängige Genabschnitte, die etwa 10% der
unterschiedlichen Sterolspiegel erklärten.
In einem nächsten Schritt wurde untersucht, ob die
gefundenen Genabschnitte einen Einfluss auf die koronare
Herzerkrankung haben. Dafür wurde die Studie auf 27.000
Patientenproben ausgedehnt, darunter Proben aus der
Leipziger Herzstudie. Besonders hervorzuheben, die Proben
stammen je zur Hälfte von Herzerkrankten und Gesunden. Die
Untersuchungen wurden in enger Kooperation mit
Wissenschaftlern der Universitäten Lübeck, Regensburg,
München und Erlangen durchgeführt sowie mit
Kooperationspartnern in Großbritannien und Frankreich.
Die Ergebnisse zeigten, dass alle drei Genabschnitte
tatsächlich einen Effekt auf das Risiko der koronaren
Herzerkrankung hatten. Zwei der Genabschnitte lagen in
einem bekannten Lipidtransferprotein (ABCG8), der dritte
Genabschnitt in dem für die Blutgruppe verantwortlichen Gen
AB0. Letzterer war ein unerwarteter und für die
Wissenschaft völlig neuer Befund. Demzufolge neigen Träger
der Blutgruppen A, B und AB zu höheren Sterolspiegeln und
gleichzeitig zu einem höheren Risiko für eine Erkrankung
der Herzkranzgefäße. Dagegen ist Blutgruppe 0 besonders
geschützt vor einem hohen Sterolsoiegel ebenso wie
Herzgefäßerkrankungen.
Relevanz der Befunde
Prof. Dr. Daniel Teupser, Professor für Klinische Chemie
und Funktionelle Genetik, fasst zusammen: "Durch die
aufwendigen Leipziger Forschungen konnte erstmals eine
direkte Verbindung zwischen den für den Transport
pflanzlicher Sterole wesentlichen Lipidgenen und der
koronaren Herzerkrankung gezeigt werden. Menschen mit einer
bestimmten genetischen Variante scheiden Phytosterole
schlechter aus, haben dadurch einen höhere Sterolspiegel
und somit ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu
erleiden. Dieser Befund steht im Widerspruch zu den
Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften, die eine
Nahrungsmittelergänzung mit pflanzlichen Sterolen
befürworten."
Prof. Dr. Joachim Thiery, Direktor des Instituts für
Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare
Diagnostik, ergänzt: "Die Veröffentlichung ist seit über
einem Jahr durch einen außergewöhnlich harten
Prüfungsprozess gelaufen, was Rückschlüsse auf die Brisanz
des Themas zulässt. Aufgrund der Forschungsergebnisse kann
die weit verbreitete Auffassung, dass Produkte mit
Ersatzstoffen für tierische Fette grundsätzlich
gesundheitsfördernd sind, nicht mehr aufrecht erhalten
werden. Für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung
sind sie sogar als schädlich einzustufen. Die gefundenen
Zusammenhänge bedürfen nun einer tiefer gehenden
Funktionsaufklärung, die in Leipzig jetzt im Rahmen der
Landesexzellenzinitiative LIFE stattfinden wird."
Ob jemand zur Risikogruppe gehört und die entsprechende
Variante in sich trägt, ist durch einen genetischen Test
herauszufinden, der jedoch bis jetzt nicht allgemein
verfügbar ist. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte
deshalb bei Lebensmitteln mit Phytosterolzusätzen
zurückhaltend sein.
Originalveröffentlichung: Daniel Teupser et al.; "Genetic Regulation of Serum Phytosterol Levels and Risk of Coronary Artery Disease"; Circulation: Cardiovascular Genetics. 2010, published online before print June 7, 2010