Warum die europäische Kolonisierung den Blaubock zum Aussterben brachte

Internationales Wissenschaftsteam und Start-up Colossal Biosciences entschlüsseln die DNA des Blaubock mit Hilfe modernster Computeranalyse-Software

17.04.2024
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Symbolbild

Ein internationales Team von Forschenden unter der Leitung der Universität Potsdam hat in Zusammenarbeit mit Colossal Biosciences und dem Museum für Naturkunde Berlin das erste flächendeckende Kerngenom des ausgestorbenen Blaubocks erstellt und analysiert. Die genomischen Daten geben Aufschluss über die Evolutionsgeschichte und das Aussterben der Art. Der Blaubock ist die einzige große afrikanische Säugetierart, die in jüngerer Zeit ausgestorben ist. Die Ergebnisse der Studie, die nun in „Current Biology“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Art wahrscheinlich an eine geringe Populationsgröße angepasst war und so Jahrtausende überlebte. Das machte sie aber zugleich anfällig für plötzliche Einflüsse wie die Jagd, die nach der europäischen Kolonisierung des südlichen Afrikas zunahm.

Der Blaubock (Hippotragus leucophaeus) war eine afrikanische Antilope mit bläulich-grauem Fell, verwandt mit der Rappen- und der Pferdeantilope. Der letzte Blaubock wurde um 1800, nur 34 Jahre nach seiner wissenschaftlichen Erstbeschreibung, erlegt. Nun ist es dem Forschungsteam, an dem Potsdamer Evolutionsbiologen um Prof. Dr. Michael Hofreiter beteiligt waren, gelungen, aus einem Exemplar des schwedischen Naturkundemuseums ein Genom mit 40-facher Abdeckung zu gewinnen. Dabei handelt es sich um eines von nur fünf DNA-validierten historischen Museumsexemplaren des Blaubocks.

Eine geringe genomische Vielfalt und Populationsgröße wird oft als nachteilig angesehen, da sie zu einer Verringerung der Fitness und Anpassungsfähigkeit einer Art führen kann. „Der Blaubock hatte jedoch über viele Jahrtausende eine geringe Populationsgröße, bevor er um 1800 ausstarb“, erklärt Michael Hofreiter. „Die Tatsache, dass keine Inzucht und nur wenige nachteilige Mutationen festgestellt wurden, deutet darauf hin, dass die Art an eine langfristig niedrige Populationsgröße angepasst war“, ergänzt Elisabeth Hempel, die den Blaubock im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universität Potsdam und dem Museum für Naturkunde Berlin untersucht hat.

Außerdem zeigt die Analyse der langfristigen Populationsgröße, dass diese nicht von den eiszeitlichen Klimaschwankungen beeinflusst wurde. Dies ist für ein großes pflanzenfressendes Säugetier unerwartet, da diese Zyklen zu Veränderungen in der Verfügbarkeit von Lebensraum geführt haben sollten. Dieses Ergebnis legt nahe, dass die derzeitigen Modelle der langfristigen Ökosystemdynamik in der Region möglicherweise verfeinert werden müssen.

Die Forschenden schließen aus ihren Ergebnissen, dass Arten lange Zeit mit einer geringen Populationsgröße überleben können, solange sie keinen schnell wirkenden Störungen ausgesetzt sind. Folglich dürfte der plötzliche menschliche Einfluss während der europäischen Kolonisierung des südlichen Afrikas im 17. Jahrhundert eine zentrale Rolle beim Aussterben der Art gespielt haben.

Im Zuge der DNA-Analysen wurden im Genom auch zwei Gene identifiziert, die für die blaue Fellfarbe der Art verantwortlich sein könnten, welcher der Blaubock seinen Namen verdankt. Möglich wurde dies mithilfe modernster Computeranalyse-Software des Biotechnologieunternehmens Colossal Bioscience, mit dem die Forschenden zusammengearbeitet haben. „Als Teil von Colossals kontinuierlichem Fokus auf alte DNA, Beziehungen zwischen Genotyp und Phänotyp und die Wiederherstellung von Ökosystemen war es uns eine Ehre, an der bahnbrechenden Arbeit von Professor Hofreiter und seinem Team mitzuarbeiten“, sagte Ben Lamm, Mitbegründer und CEO von Colossal Bioscience. „Die Forschungsziele für das Projekt erlaubten es unseren Teams, zusammenzuarbeiten und einige der neuesten Colossal-Algorithmen für alte DNA und vergleichende Genomik anzuwenden, um herauszufinden, was der Blaubock wirklich zu der einzigartigen Spezies machte, die sie war.“

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