Chronisch Lymphatische Leukämie: Neuer therapeutischer Ansatz

Den Krebszellen die zelluläre Unterstützung entziehen

30.07.2019 - Deutschland

Forschende der Ulmer Universitätsmedizin und vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg beschreiben eine neue therapeutische Strategie bei der Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL): Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Substanzen identifiziert, die die Wechselwirkung von Krebszellen mit ihrer gesunden Umgebung unterbinden. Ihre Publikation in der Fachzeitschrift „Leukemia“ ist das erste Ergebnis einer neuen Brückengruppe zwischen der Universitätsklinik Ulm und dem  DKFZ. Diese Brückengruppe ist die Fortführung der 2006 gegründeten DKFZ-Kooperationseinheit „Mechanismen der Leukämogenese“ und intensiviert die Zusammenarbeit der beiden Forschungseinrichtungen.

Ein besseres Verständnis des Zusammenwirkens der gesunden zellulären Umgebung mit entarteten CLL-Zellen ist klinisch hochrelevant: Gelingt es, diese Interaktion zu unterbinden, sterben die Leukämiezellen ab. Um diese zelluläre Unterstützung zu verstehen, haben die Forschenden die Aktivität aller Gene in den Krebszellen von CLL-Patienten gemessen, sobald diese mit ihrer Umgebung wechselwirken. Gleicht man das so genannte „Transkriptom“ – die Gesamtheit aller RNA – mit Datenbanken ab, ergibt sich ein erstaunliches Bild: Die meisten Signalwege, über die Krebszellen mit der nicht-malignen Umgebung zusammenwirken, hängen mit der Sauerstoff-Homöostase zusammen. „Eigentlich ist die zentrale Rolle des Sauerstoff-Gleichgewichts eher von soliden Tumoren bekannt. Bei CLL-Patienten findet die Wechselwirkung mit der nicht-malignen Umgebung jedoch vor allem in Lymphknoten und im Knochenmark statt, wo die Sauerstoffsättigung ebenfalls bedeutend ist. Darüber hinaus ist bekannt, dass es vor allem in diesen sekundären lymphatischen Organen zu Resistenzen der CLL-Zellen gegen derzeitige Therapeutika kommt“, erklärt PD Dr. Daniel Mertens, Leiter der neuen Brückengruppe „Mechanismen der Leukämogenese“.

Weiterhin haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Transkriptom mit Datenbanken abgeglichen, in denen Effekte medizinisch aktiver Substanzen gelistet sind. Dadurch konnten sie zwei vielversprechende Substanzen identifizieren, die die Wechselwirkung von Krebszellen mit ihrer Umgebung unterbinden und die Leukämiezellen in den Zelltod treiben. Eine solche Umkehrung des unterstützenden Effekts durch die nicht-maligne Umgebung hat sich in Patientenzellen im Labor sowie im Mausmodell bestätigt. „Insgesamt untermauern unsere Ergebnisse Beobachtungen aus der Klinik sowie aus der Zentrale der Deutschen CLL-Studiengruppe: CLL-Patienten, bei denen Signalwege zur Sauerstoff-Homöostase besonders stark dysreguliert sind, haben oft eine schlechtere Prognose“, so Erstautor Dr. Deyan Yordanov Yosifov. Die jetzt identifizierten Substanzen zeigen – zunächst natürlich im Modell – eine neue therapeutische Strategie auf: Erstmals unterdrücken sie die Wechselwirkung zwischen gesunden und malignen Zellen bei einer CLL und lassen so die Krebszellen absterben.

In der von PD Dr. Daniel Mertens geleiteten Kooperationseinheit „Mechanismen der Leukämogenese“, die die Grundlage der neuen Brückengruppe bildet, sind seit 2006 mehr als 70 Publikationen in Fachjournalen veröffentlicht worden. Diese wurden wiederum über 3400 Mal zitiert. Die zugrundeliegende wissenschaftliche Arbeit haben die Forschenden mit bislang rund 5,5 Millionen zusätzlichen Drittmitteln finanziert. Ein weiterer Schwerpunkt der Gruppe liegt auf der Epigenetik: Durch so genannte „epigenetische“ Veränderungen am Erbgut können neue Eigenschaften entstehen, ohne die Gensequenz zu verändern.
Die nun etablierte Brückengruppe ist auf zunächst fünf Jahre angelegt. Danach wird eine erneute Begutachtung erfolgen. In dieser Zeit finanzieren das DKFZ und die Klinik für Innere Medizin III (Leitung Professor Hartmut Döhner) der Universitätsklinik Ulm jeweils einen Mitarbeitenden sowie einen Teil derer Verbrauchsmittel.

PD Dr. Mertens

Leukämiezellen: Die Unterstützung von Leukämiezellen durch die nicht-maligne zelluläre Umgebung kann in Zellkultur nachgestellt werden: Leukämiezellen von Patienten (kleine Zellen) überleben signifikant länger im Kontakt mit unterstützenden Zellen aus dem Knochenmark (große Zellen).

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