Brustkrebs: AP2 - Das "Jekyll-und-Hyde"-Protein
Während der Schwangerschaft durchläuft die weibliche Brust ein ausgeklügeltes Umbauprogramm: Um ausreichend Milch produzieren zu können, ersetzt der Körper sukzessive einen Teil des Fettgewebes durch Drüsengewebe; zudem beschleunigt sich die Zellteilung, so dass die Brüste insgesamt größer werden. Die vermehrte Bildung von AP2-Gamma während der Schwangerschaft scheint diese Zellteilungsprozesse anzukurbeln. In vielen Brusttumoren ist der AP2-Gamma-Spiegel ebenfalls erhöht - Grund genug für die Vermutung, dass das Protein bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen könnte.
Paradoxerweise entwickeln gentechnisch veränderte Mäuse mit permanent erhöhtem AP2-Gamma-Spiegel jedoch nicht mehr Tumore als normale Tiere. Um diese These zu untersuchen, haben die Wissenschaftler die AP2-Nager mit so genannten "Onko-Mäusen" gekreuzt. Einige Nachkommen aus der Kreuzung trugen sowohl das Brustkrebs-Gen aus den Onko-Mäusen als auch die veränderte Erbinformation für AP2-Gamma.
Das Resultat war erstaunlich: "In den 'reinen' Onko-Mäusen entdeckten wir nach 25 Wochen erste Geschwulste; nach 32 Wochen war keine von ihnen mehr tumorfrei", erklärt Professor Dr. Hubert Schorle vom Bonner Institut für Pathologie. Bei den Nagern, bei denen zusätzlich der AP2-Gamma-Spiegel noch permanent erhöht war, begann die Tumorentwicklung eine Woche später, und erst nach 40 Wochen waren wirklich alle Tiere erkrankt. Insgesamt entwickelten sie weniger Geschwulste als die reinen Onko-Mäuse. AP2-Gamma scheint also die Tumorbildung zumindest zu verzögern. Als die Wissenschaftler jedoch das Krebsgewebe genauer unter die Lupe nahmen, stellten sie fest, dass die Tumoren aus den AP2-Onko-Mäusen in der Regel schon in einem erheblich fortgeschrittenerem Stadium waren. Hat sich erst einmal eine Geschwulst gebildet, entwickelt sie sich unter Einfluss von AP2-Gamma aggressiver weiter.
AP2-Gamma spielt also bei der Entstehung von Brustkrebs "Dr. Jekyll und Mr. Hyde": In gesundem Gewebe beschleunigt es zwar die Zellteilung, gleichzeitig scheint es aber Mechanismen zu stärken, die eine Krebsentstehung verhindern. "So beobachten wir, dass Zellen unter AP2-Einfluss eher in die Apoptose eintreten, also gewissermaßen Selbstmord begehen." Ist - wie in vielen Krebszellen - dieses "Selbstmord-Programm" aber gestört, sorgt AP2 letztlich für einen zusätzlichen Tritt aufs "Zellteilungs-Gaspedal": Die Entwicklung des Krebses zu aggressiven Stadien beschleunigt sich.
Originalpublikation: Breast Cancer Research and Treatment 2005, 90(3), 273-80.
Meistgelesene News
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Life-Science-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für Biotechnologie, Pharma und Life Sciences bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.