Mitwachsende Herzklappen aus körpereigenen Zellen

BioProfil fördert Entwicklung biologischer Mitralklappen

16.09.2004

Die Entwicklung einer neuen biologischen Herzklappe auf der Basis von körpereigenen Zellen mit Methoden der Gewebezüchtung hat sich die Firma Artiss GmbH in Zusammenarbeit mit Herzchirurgen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zum Ziel gesetzt. Die Biotechnologiefirma will die mitwachsenden Herzklappen zunächst im Tiermodell erproben. In Zukunft sollen sie bei Patienten mit Mitralklappenfehlern eingesetzt werden. Das BioProfil "Funktionelle Genomanalyse" hat das Projekt zur Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) empfohlen. Die Fördersumme beträgt 300 000 Euro.

Allein in Deutschland finden jährlich rund 7500 Operationen an der Mitralklappe statt. Durch die Mitralklappe fließt der Blutstrom vom linken Vorhof in die linke Herzkammer. Verantwortlich für Funktionsstörungen sind vor allem bakterielle Infekte, Herzinfarkte oder Immunreaktionen. Bei rund 60 Prozent der Operierten kann die eigene Mitralklappe nicht erhalten werden. Sie benötigen eine Prothese. "Leider haben biologische Ersatzklappen bisher wegen früh einsetzender Verschleißerscheinungen eine eingeschränkte Lebensdauer. Sie müssen daher in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden", sagt Professor Axel Haverich von der MHH. Folgeoperationen bedeuten jedoch ein erhöhtes Risiko für die Betroffenen. "Mechanische Herzklappen sind zwar langlebiger, so Haverich weiter, "erfordern aber eine lebenslange blutverdünnende Therapie, die Gefahren birgt."

Diese Risiken wollen die Wissenschaftler der Firma Artiss aus Hannover mit ihrer neuen biologischen Mitralklappe ausschalten. Bei der Entwicklung verfahren sie nach dem Prinzip der Gewebezüchtung (englisch: Tissue Engineering). Auf der Basis einer biologischen Matrix soll eine Mitralklappe konstruiert werden. Um Immunreaktionen vorzubeugen, muss diese biologische Matrix erst vollständig von den Spenderzellen befreit werden, bevor sie dann mit körpereigenen Zellen rebesiedelt wird. Hierfür wollen die "Gewebe-Ingenieure" bei der Artiss GmbH nicht nur Zellen aus dem Gefäßsystem des Empfängers, sondern auch Stammzellen aus seinem Blut oder Knochenmark erproben, die sich im Reagenzglas (in vitro) zu Gefäßzellen differenziert haben. "Die Verwendung dieser Vorläuferzellen gilt als besonders patientenfreundlich, weil sonst notwendige Eingriffe für Gewebeentnahmen durch eine einfache Blutentnahme ersetzt werden könnten", erklärt Dr. Bettina Sohns, Projektleiterin bei der Firma Artiss. Zunächst muss sich die neu entwickelte biologische Mitralklappe jedoch in der Langzeittestung bei Schafen beweisen. Mit dem Beginn einer klinischen Erprobung am Patienten rechnet Sohns voraussichtlich in drei Jahren.

Nach erfolgreicher Entwicklung wäre die neue biologische Mitralklappe auf der Basis von körpereigenem Material den bisher verwendeten überlegen. Vorteile des Artiss Produktes lägen in der Fähigkeit zum Mitwachsen, der verbesserten Haltbarkeit der Prothese, den deutlich reduzierten Nachfolgeoperationen, der fehlenden Notwendigkeit zur blutverdünnenden Dauertherapie und damit insgesamt in einer enormen Kostenreduzierung für das Gesundheitswesen. "Diese neue Art einer biologischen Mitralklappenprothese", beschreibt Sohns die Marktaussichten für das Produkt, "könnte die Grundlage für ein völlig neues Segment mit großem Marktvolumen sein."

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