Künstliche Mini-Gehirne

Kooperation zwischen IMBA und Biotech-Unternehmen ermöglicht Nutzung für alle Forscher weltweit

18.04.2016 - Österreich

Ein Lizenzabkommen zwischen dem IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem kanadischen Biotechnologie-Unternehmen Stemcell Technologies ermöglicht es zukünftig allen Wissenschaftlern, auf ein bahnbrechendes, am IMBA entwickeltes Gehirn-Modellsystem zuzugreifen.

Im Jahr 2013 ist es Jürgen Knoblich, dem stellvertretenden Direktor des IMBA, und seiner Mitarbeiterin Madeline Lancaster gelungen, aus Stammzellen die ersten funktionsfähigen menschlichen Gehirnstrukturen im Labor zu züchten. Diese Mini-Gehirne entsprechen der frühen Entwicklung des Gehirns, etwa auf der Stufe eines Embryos. Somit eröffneten sich nicht nur völlig neue Möglichkeiten für die Erforschung der Gehirnentwicklung, sondern auch ein enormes Potenzial für die zukünftige Diagnostik und Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, wie Alzheimer oder Parkinson. Diese wissenschaftliche Errungenschaft sorgte daher weltweit für großes Aufsehen.

Jetzt soll das neue Modellsystem allen Forschern zugänglich gemacht werden. Dazu sind das IMBA und das kanadische Biotech-Unternehmen Stemcell Technologies eine Partnerschaft eingegangen. Stemcell Technologies übernimmt die Rechte, Produkte für die Anzucht der Mini-Gehirne weiter zu entwickeln und zu vermarkten. In der Stammzellforschung haben funktionierende 3D Kultursysteme eine große Bedeutung. Erst sie ermöglichen, dass sich organische Strukturen, wie in diesem Fall das Gehirn, dreidimensional entwickeln können und dadurch ihre Funktionsfähigkeit erlangen – wie die Organe im Körper, die ja ebenfalls eine dreidimensionale Struktur besitzen. So werden Studienergebnisse auf den Menschen übertragbar.

Jürgen Knoblich ist überzeugt, dass durch die Partnerschaft das enorme Potenzial des Modellsystems bestmöglich ausgeschöpft werden kann. „Eine genetische Erkrankung, bei der Kinder ein zu kleines Gehirn, also einen Mikrozephalus ausbilden, konnten wir bereits nachstellen und untersuchen. Aber es gibt natürlich eine große Zahl wichtiger neurodegenerativer Erkrankungen, die noch viel zu wenig erforscht sind. Durch unsere Partnerschaft mit Stemcell Technologies kann unser revolutionäres Modellsystem in einfacher und standardisierter Form von wissenschaftlichen Kollegen weltweit genutzt werden.“

Die Firma Stemcell Technologies ist bereits ein Spezialist auf dem Gebiet der Anzucht neuronaler Zellen. Umso mehr freut sich Allen Eaves, der Geschäftsführer des Unternehmens, über die Zusammenarbeit: „Wir sprechen hier über eines der derzeit heißesten und vielversprechendsten Gebiete der biomedizinischen Forschung überhaupt. Diese Gehirnstrukturen aus dem Labor erlauben tatsächlich direkte Einblicke in das Gehirn. Wir werden mit dieser Methode unglaublich viel Neues über das komplizierteste menschliche Organ erfahren.“

Michael Krebs, der kaufmännische Geschäftsführer des IMBA, sieht die Vereinbarung mit dem kanadischen Unternehmen als Auftakt für weitere strategische Partnerschaften: „Wir freuen uns, dass Stemcell Technologies mit unserer Hilfe seine Produktpalette im Bereich der Kultur neuronaler Zellen vervollständigen kann. Zukünftig werden wir am IMBA auf Basis unserer Patente für diese neuartige Technologie weitere Krankheitsmodelle für neurodegenerative Erkrankungen entwickeln, die wir strategischen Partnern aus Biotechnologie und pharmazeutischer Industrie für maßgeschneiderte Wirkstoff-Screenings und Zielmolekül-Validierungen anbieten können.“

Originalveröffentlichung

Lancaster et al.; „Cerebral organoids model human brain development and microcephaly“; Nature; 2013

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