Kooperierende Bakterien isolieren Egoisten

Bakterien können nicht-kooperative Bakterien vom Nahrungszugang ausschließen

10.12.2015 - Deutschland

Bakterien, die sich gegenseitig ernähren, können ihre Partnerschaft auf zweidimensionalen Oberflächen festigen und nicht-kooperative Bakterien vom Nahrungszugang ausschließen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena konnten zeigen, dass zwei Bakterienarten, die in kooperativer Weise Aminosäuren austauschen, in räumlich strukturierten Umgebungen vor der Ausbeutung durch nicht-kooperierende Bakterien sicher sind, weil diesen der Zugang zu den ausgetauschten Aminosäuren verwehrt wird.

S. Lang / Friedrich-Schiller-Universität Jena

Ergebnisse der Aminosäuremessungen: Deren Konzentration ist in der Umgebung kooperativer Bakterien hoch (oben), im Umfeld opportunistischer Bakterien hingegen sind sie nicht nachweisbar (unten).

In natürlichen Mikrobengemeinschaften tauschen verschiedene Bakterienarten häufig Nährstoffe miteinander aus. Dabei geben Bakterien Verbindungen wie Aminosäuren oder Vitamine in ihre Umgebung ab und füttern damit andere Bakterienzellen. Dadurch verbrauchen sie zwar Ressourcen, profitieren aber im Gegenzug von den Nährstoffen, die ihnen ihre bakteriellen Partner zur Verfügung stellen. Man spricht daher von einem kooperativen Stoffaustausch. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena konnten jetzt zeigen, dass Bakterien, die selbst nicht in die Nährstoffproduktion investieren, auch nicht ohne weiteres in den Genuss der Vorteile dieses wechselseitigen Stoffaustausches kommen. Sie wiesen nach, dass zwei Bakterienarten, die in kooperativer Weise Aminosäuren austauschen, in räumlich strukturierten Umgebungen vor der Ausbeutung durch opportunistische, nicht-kooperierende Bakterien sicher sind, weil diesen der Zugang zu den ausgetauschten Aminosäuren verwehrt wird. Dadurch wird die kooperative Wechselwirkung langfristig stabilisiert.

Dass sich diese Arbeitsteilung positiv auf das Bakterienwachstum auswirkt, konnten die Wissenschaftler bereits in früheren Arbeiten zeigen. Für die neue Studie gingen sie der Frage nach, wie eine solche Kooperation langfristig bestehen kann, wenn es nicht-kooperierende Bakterien gibt, die die für den wechselseitigen Austausch produzierten Nährstoffe zwar aufnehmen, sich selbst jedoch nicht an der Nährstoffproduktion beteiligen. In diesem Fall entsteht den kooperativen Stoffproduzenten ein evolutionärer Nachteil, der zum Zusammenbruch der Partnerschaft führen könnte.

Ob dies tatsächlich der Fall ist, haben die Wissenschaftler experimentell überprüft. Hierzu haben sie gentechnisch „Kooperierer“ zweier Bakterienarten erzeugt, die erhöhte Mengen bestimmter Aminosäuren in ihre Umgebung abgaben. „Tatsächlich war es so, dass „Nicht-Kooperierer“ in einem gut durchmischten Flüssigmedium einen Wachstumsvorteil gegenüber Kooperierern hatten, weil sie unter diesen Bedingungen uneingeschränkten Zugang zu den Aminosäuren im Medium hatten. Im Gegensatz dazu war das Wachstum von Nicht-Kooperieren auf einer zweidimensionalen Oberfläche stark unterdrückt“, fasst Christian Kost die Ergebnisse der Experimente zusammen. Eine genauere Analyse zeigte, dass die nicht-kooperierenden Bakterien lediglich am Rand von kooperierenden Bakterienkolonien existieren konnten.

Für ihre Untersuchungen kombinierten die Wissenschaftler verschiedene methodische Ansätze. Die Grundlage bildete dabei ein noch junger Forschungsansatz, der als „synthetische Ökologie“ bezeichnet wird: Hierbei werden mit Hilfe moderner, gentechnischer Methoden bestimmte Mutationen in bakterielle Genome eingeführt. Die so erzeugten Bakterienstämme werden in Experimenten zusammen kultiviert und deren ökologischen Wechselwirkungen analysiert. Parallel dazu wurden am Jenaer Lehrstuhl für Bioinformatik Computermodelle zum Vergleich erstellt. Wichtig war darüber hinaus die chemische Analytik mit bildgebender Massenspektrometrie, mit deren Hilfe die bakteriellen Stoffwechselprodukte sichtbar gemacht werden konnten. Erst die Kombination mikrobiologischer Methoden mit chemisch-analytischen Herangehensweisen und Computersimulationen machte es möglich, das zugrundeliegende Phänomen zu verstehen und aufzuklären.

„Die Tatsache, dass ein so einfaches Prinzip eine derart komplexe Interaktion effektiv stabilisieren kann, spricht dafür, dass solche Phänomene in natürlichen Bakteriengemeinschaften eine ähnlich wichtige Rolle spielen“, ist sich Christian Kost sicher. Schließlich kommen Bakterien fast ausschließlich in sogenannten Biofilmen vor – eine aus vielen Bakterienarten bestehende Schleimschicht, mit der sich Mikroorganismen an Oberflächen anhaften können. Darüber hinaus sind Biofilme auch für die medizinische Forschung äußerst relevant: Sie spielen nicht nur bei vielen Infektionskrankheiten eine wichtige Rolle, indem sie die bakteriellen Krankheitserreger vor der Immunantwort des erkrankten Organismus oder Antibiotika schützen, sondern stellen auch ein ernsthaftes Problem bei der Nutzung medizinischer Implantate dar, wenn sich dort Bakterienfilme ansiedeln und ausbreiten.

In dieser neuen Studie konnte nun der Mechanismus identifiziert werden, durch den sich Zellcluster aus kooperierenden Bakterien bilden, die langfristig nicht-kooperierende Bakterien in der Gemeinschaft verdrängen. „Die Bedeutung dieses Mechanismus ergibt sich aus der Tatsache, dass keine komplizierten oder durch Evolution neu entstandene Bedingungen, wie beispielsweise die Erkennung möglicher Kooperationspartner, erfüllt sein müssen, damit diese Partnerschaft langfristig stabilisiert wird. Zwei kooperierende Bakterienstämme und eine zweidimensionale Oberfläche reichen aus, damit der beschriebene Effekt eintritt“, erklärt Christian Kost.

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