Der Sonnenschutz der DNA: Erstmals eine der schnellsten chemischen Reaktionen der Welt beobachtet

19.10.2015 - Deutschland

UV-Strahlung zählt zu den häufigsten Ursachen für Schäden an unserem Erbgut. Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Universität Bristol, Großbritannien, haben nun erstmals beobachtet, was in DNA-Bausteinen passiert, wenn sie mit ultraviolettem Licht angeregt werden und wie sie sich dabei vor ihrer Zerstörung schützen. Die Ergebnisse zeigen: Mit der aufgenommenen Energie setzen die Moleküle eine völlig ungefährliche Reaktion in Gang, die Veränderungen der Gene verhindert.

Angewandte Chemie, John Wiley & Sons

Die Studie aus Kiel und Bristol wird das Innencover der Fachzeitschrift Angewandte Chemie zieren. Es zeigt den untersuchten Prozess, wie die DNA sich vor ultravioletter Strahlung schützt.

Foto/Copyright: Jürgen Haacks, Uni Kiel

Katharina Röttger, Fakultätspreisträgerin 2014 der Universität Kiel, untersuchte mittels extrem kurzer Lichtpulse gemeinsam mit Kollegen einen chemischen Prozess in DNA-Basenpaaren.

Angewandte Chemie, John Wiley & Sons
Foto/Copyright: Jürgen Haacks, Uni Kiel

In unserer DNA treten die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin auf. Mit ultrakurzen Lichtblitzen schossen die Chemiker auf mit UV-Licht angeregte Basenpaare aus Guanin und Cytosin. Nur mit Hilfe dieser als Femtosekundenspektroskopie bezeichneten Methode konnten sie den schützenden molekularen Mechanismus offenlegen. Denn dieser spielt sich innerhalb weniger Billiardstel Sekunden ab.

In dem sogenannten elektronengetriebenen Protonentransfer-Prozess (EDPT) wird ein Wasserstoff-Atom innerhalb der Molekülverbindung verschoben. Das Basenpaar kehrt daraufhin aber durch den gleichen Vorgang sofort wieder zur Ausgangsstruktur zurück. „Die Natur nutzt die Reaktion, um die Lichtbeständigkeit des Erbguts um Größenordnungen zu verstärken – sie ist sozusagen der Sonnenschutz der DNA“, sagt Professor Friedrich Temps, Leiter des Kieler Forschungsteams vom Institut für Physikalische Chemie. „Die DNA-Bausteine selbst entlasten dadurch die enorm aufwändigen und nur sehr langsamen aktiven Reparaturmechanismen der Zellen durch Enzyme, für deren Entdeckung in diesem Jahr gerade der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde. Ohne die von uns beobachteten passiven Prozesse wären die aktiven Reparaturmaschinen der Zellen hoffnungslos überlastet“, ergänzt Professor Andrew Orr-Ewing, Leiter des Teams in Bristol.

In einigen Fällen gelingt es dem Basenpaar jedoch nicht, zur Ausgangssituation zurückzukehren. Hier führt der EDPT dazu, dass zwei Wasserstoffatome verschoben werden. „Das Produkt könnte eine mutagene Vorstufe sein und zu Schäden an der DNA führen“, erklärt Dr. Katharina Röttger von der englischen Arbeitsgruppe, die in Kiel ihren Doktortitel erhielt. Was allerdings mit diesem Molekül weiter passiert, müssen zukünftige Experimente zeigen. „Wir können nur sagen, dass das potenziell mutagene Molekül den Zeitrahmen unserer Messungen von einer Nanosekunde (= eine Milliardstel Sekunde) überlebt“, sagt Röttger.

Die Wissenschaftler wollen nun herausfinden, ob die gleichen Prozesse auch in einem langen DNA-Strang passieren. Kompliziert machen dieses Unterfangen aber die vielen Wechselwirkungen innerhalb und zwischen den Molekülen und in den Wasserstoffbrücken. Oft werden extrem schnelle Reaktionen von langsameren überdeckt. Professor Temps und Professor Orr-Ewing sind zuversichtlich, dass die Analysewerkzeuge ihrer Arbeitsgruppen bald so weit sein werden, auch dieses Rätsel zu lösen.

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