Neue Übergewichtsgene identifiziert

18.06.2012 - Deutschland

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) und des Universitätsklinikums Leipzig haben im Rahmen einer neuen Studie zwei Gene identifiziert, die im Fettgewebe krankhaft übergewichtiger Menschen verstärkt aktiv sind. Sie begünstigen die Fetteinlagerung im viszeralen Fettgewebe, dem so genannten Eingeweidefett im Bauchraum. Wie weitere Ergebnisse der Studie annehmen lassen, fördert eine erhöhte Aktivität der beiden Gene die Freisetzung eines Enzyms im Fettgewebe, das für die Bildung von Cortisol verantwortlich ist. Cortisol ist als Stresshormon bekannt, spielt aber auch eine Rolle für die Regulation des Energiehaushalts.

Das Wissenschaftlerteam um Annette Schürmann, Heike Vogel und Hans-Georg Joost vom DIfE veröffentlichte nun seine Daten in der Fachzeitschrift Human Molecular Genetics.

Krankhaftes Übergewicht (Adipositas) gehört zu den komplexen Erkrankungen, an deren Entstehung zahlreiche Gene im Zusammenspiel mit Umweltfaktoren beteiligt sind. Ein Ziel der Wissenschaftler ist es, durch die Kenntnis der Gene und deren Funktion mehr über die molekularen Mechanismen zu erfahren, die zur Krankheitsentstehung beitragen, um so neue Ansätze für wirksamere Medikamententherapien zu entwickeln.

Da Mensch und Maus genetisch sehr ähnlich sind, nutzen die Forscher am DIfE zunächst Mausmodelle, um Gene zu identifizieren, die an der Entstehung von Übergewicht beteiligt sind. In der aktuellen Studie führten sie - ähnlich wie Gregor Mendel dies mit Erbsen tat - Kreuzungsexperimente mit Mäusen durch. Hierbei verpaarten sie Mäuse eines zu Übergewicht neigenden und Mäuse eines normalgewichtigen Mausstamms miteinander. Durch einen Vergleich der übertragenen äußeren Merkmale auf die Nachkommen mit den übertragenen Erbgutfragmenten, konnten sie auf einem Chromosom einen Bereich eingrenzen, der stark mit Übergewicht assoziiert ist. Weiterführende Analysen dieses Bereichs identifizierten letztendlich das Ifi202b-Gen, das zur Ifi200-Genfamilie gehört, als Übergewichtsgen.

Mäuse, die das intakte Gen von ihren Eltern geerbt hatten, wurden schnell übergewichtig. Dagegen blieben die Nachkommen normalgewichtig, wenn sie von ihren Eltern eine durch eine natürliche Mutation funktionslos gewordene Variante des Gens vererbt bekommen hatten. Wie anschließende Untersuchungen des Fettgewebes und in Kultur gehaltener Zellen zeigten, reguliert das vom intakten Ifi202b-Gen abgeleitete Protein ein bestimmtes Enzym im Fettgewebe. Dieses wandelt das biologisch inaktive Cortison in das aktive Hormon Cortisol um. Je stärker das Ifi202b-Gen aktiviert war, desto mehr Enzym konnten die Forscher im Fettgewebe nachweisen. Ein wichtiger Hinweis darauf, dass auch das im Gewebe produzierte Cortisol bei der Entstehung von Übergewicht eine Rolle spielt.

„Nachdem wir die entscheidende Genfamilie identifiziert hatten, untersuchten wir nun zielgerichtet die entsprechenden Gene bei 53 normalgewichtigen und 221 krankhaft übergewichtigen Personen und wurden fündig“, sagt Erstautorin Vogel. Zwei Gene der menschlichen Ifi-Genfamilie, IFI16 und MNDA, sind ebenfalls mit Übergewicht assoziiert. Sie sind im viszeralen Fettgewebe übergewichtiger Menschen sehr viel stärker aktiv, wobei die Größe der Fettzellen mit steigender IFI16- und MNDA-Genaktivität zunimmt.

„Dass die identifizierte Genfamilie sowohl beim Menschen als auch bei Mäusen eine Rolle spielt, ist von entscheidendem Vorteil“, erklärt Studienleiterin Annette Schürmann. Denn so könne man die Genfunktionen und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen an Modellsystemen wie der Maus oder bestimmten Zelllinien unter kontrollierten Bedingungen erforschen. Am Menschen sind solche Studien oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich. „Die weitere Aufklärung der zellulären Funktion von Ifi202b wird uns auch zu neuen Strategien der Diabetesprävention führen“, ergänzt Hans-Georg Joost, wissenschaftlicher Direktor des DIfE. Denn viel viszerales Fett im Bauchraum ist ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes.

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