Bayerische Biotechnologie behauptet sich in der Krise und wächst weiter

Starke Gründungsdynamik, Neugründungen über dem Bundesdurchschnitt

05.07.2023 - Deutschland
© BioM

Prof. Dr. Ralf Huss, Geschäftsführer der BioM Biotech Cluster Development GmbH, Dr. Manuel Bauer, EY Biotech Leader Germany und Dirk Gallowsky, EY Partner, präsentieren die aktuellen Biotechnologie-Reports.

Mit seinem Report Biotech in Bavaria 2022/23 präsentierte BioM die aktuellen Biotech-Zahlen sowie Entwicklungen und Erfolge der bayerischen Biotechnologieszene. Im Jahr 2022 stieg die die Zahl der in Bayern angesiedelten Biotechnologieunternehmen leicht an. Die Zahl der Beschäftigten erreichte einen Höchststand. Die Gründungsdynamik blieb auf stabilem Niveau und lag sogar über dem Bundesdurchschnitt. In der Medikamentenentwicklung dominierte weiterhin das Indikationsgebiet Onkologie, gefolgt von Autoimmunerkrankungen. Zahlreiche Unternehmen konnten neues Kapital jeweils im ein- und zweistelligen Millionenbereich, insgesamt über 350 Millionen Euro, einwerben. Die zunehmende Fokussierung von start-ups und Unternehmen auf Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Gesundheitsdaten und deren erfolgreicher Einsatz folgen dem Trend zur Digitalisierung in der Biomedizin.

  • Stetige Zunahme an Biotechnologieunternehmen
  • Beschäftigungshoch: 51.000 Arbeitskräfte im bayerischen Biopharma-Sektor
  • 14 neue Unternehmen, Neugründungen über dem Bundesdurchschnitt
  • Onkologie bleibt wichtigste Indikation in der Medikamentenentwicklung
  • 62 % der Unternehmen bewerten die aktuelle Geschäftslage als gut oder sogar sehr gut
  • Finanzierungen von mehr als 350 Millionen Euro
  • Investitionen in neue Forschungsinfrastrukturen
  • Digitalisierung, KI- und Big Data-Nutzung sind Trends in der biomedizinischen Entwicklung

Die aktuellen bayerischen Biotech-Zahlen und -entwicklungen stellte BioM mit seinem Jahresreport Biotech in Bavaria 2022/23 – Towards new horizons in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY und deren deutschem Biotechnologiereport vor. Angesicht der globalen Krisen zeigen die wichtigsten Zahlen aus Bayern mit leicht abgeschwächtem Wachstum eine besondere Resilienz der Biotechnologie-Branche gegenüber anderen Industriezweigen.

Beschäftigungshoch

Zusammen beschäftigten die Pharma-, Biotech- und weitere der Branche zuzuordnende Unternehmen rund 51.000 Personen in Bayern. Mit insgesamt 24.500 Beschäftigten sind die 298 (+3 %) Biotech-Unternehmen die wichtigsten Arbeitgeber der Branche. Dies entspricht einem Zuwachs von 2.500 Mitarbeitenden gegenüber dem Vorjahr. Nationale und internationale Unternehmen beschäftigten an ihren bayerischen Standorten insgesamt 17.500 Mitarbeitende und legten damit um 16,5 % zu. Kleine und mittlere bayerische Biotech-Unternehmen blieben mit insgesamt 7.000 Beschäftigten stabil.

Starke Gründungsdynamik, Neugründungen über dem Bundesdurchschnitt

Bayern zeichnet sich weiterhin besonders durch sein gründungsfreundliches Ökosystem aus. 2022 kamen insgesamt 14 neue Unternehmen hinzu – 11 davon waren Neugründungen. Mit der Zahl an Gründungen liegt Bayern an der Spitze Deutschlands und damit über dem Bundesdurchschnitt. In der Region finden Gründende ein starkes Netzwerk an unterstützenden Organisationen. Mit dem virtuellen Inkubator inQlab konnte BioM einer großen Zahl von Teams zu erfolgreichen Gründungen verhelfen. Die Unterstützung von Ausgründungen intensiviert BioM ab 2024 mit seinem physischen Inkubator Munich Accelerator Life Sciences & Medicine (MAxL). Dieses Vorhaben fördert das Bayerische Wirtschaftsministerium mit 8,5 Millionen Euro.

Finanzierungsklima und Investitionen in neue Forschungsinfrastrukturen

Die globalen Krisen wirken sich auch besonders stark auf Neugründungen und kleinere Unternehmen aus, die auf die externe Unterstützung von Investoren angewiesen sind. Trotz des derzeit zurückhaltenden Investorenmarktes ist es bayerischen Unternehmen gelungen, beachtliche Summen einzuwerben und einige große Deals abzuschließen. Insgesamt beliefen sich die im Jahr 2022 aufgenommenen Mittel auf über 350 Millionen Euro. Die Unternehmen Tubulis, ITM, CatalYm und Ethris waren mit ihren Finanzierungsrunden im zweistelligen Millionenbereich besonders erfolgreich. Sowohl Immunic als auch Vivoryon nahmen erhebliche Mittel über Aktienplatzierungen auf.

Kräftig investiert wird in neue Forschungsinfrastrukturen. Die Roche-Gruppe investiert bis zu 250 Millionen Euro in ihr neues Diagnostik-Forschungsgebäude am Standort Penzberg. Darüber hinaus wurden die ersten Labore des Fraunhofer-Instituts für Immunologie, Infektions- und Pandemieforschung in Penzberg eröffnet. Das 9.200 Quadratmeter große Life Science Center in Gräfelfing wird 2023 modernste Labor- und Büroflächen für rund 400 Biotechnologie-Wissenschaftler bereitstellen. Der WACKER-Konzern investiert einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag in den Bau eines Biotechnologiezentrums und will mit der Gründung des TUM WACKER-Instituts für Industrielle Biotechnologie die industrielle Biotechnologieforschung auf ein internationales Spitzenniveau heben. Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ergänzt ihren Campus Großhadern/Martinsried um ICON für die Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und DIAG für die Diagnostik am Max von Pettenkofer-Institut für Bakteriologie und Virologie.

Onkologie bleibt wichtigste Indikation in der Medikamentenentwicklung

Die bayerische Biotech-Landschaft ist traditionell stark von der Arzneimittelentwicklung geprägt. Dabei handelt es sich um langfristig angelegte Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die von der ersten Identifizierung eines Wirkstoffkandidaten über präklinische und klinische Studien in einem langwierigen Prozess bis zur Zulassung geführt werden. Eine ganze Reihe von F&E-Projekten wurden vorangetrieben und befinden sich nun in der präklinischen Phase (67). Die Gesamtzahl der Projekte in den klinischen Phasen I bis III ist dagegen auf 79 zurückgegangen. Insgesamt 23 Produkte befinden sich derzeit in der klinischen Phase I, 34 in Phase II und 22 in Phase III. Wie in den vergangenen Jahren machen die Krebstherapeutika den größten Anteil der Wirkstoffe in der klinischen Entwicklung (35) aus. Therapeutika gegen Autoimmunerkrankungen folgen mit 9 Projekten. Wie in ganz Deutschland wird die Produktpipeline in Bayern von Biopharmazeutika und hier von der Wirkstoffgruppe der rekombinanten Antikörper dominiert.

Geschäftsklima mehrheitlich positiv

Nach der Coronavirus-Pandemie, die für Biotech-Unternehmen nicht nur Chancen, sondern auch viele Herausforderungen mit sich brachte, kämpfen die Unternehmen weltweit mit Lieferengpässen und steigenden Preisen. In einer Umfrage hat BioM die Unternehmen des bayerischen Biotech-Clusters befragt, wie sie ihre aktuelle und zukünftige Geschäftslage einschätzen.

Demnach bewerteten 62 % der Befragten die aktuelle Geschäftslage ihres Unternehmens als gut (48 %) oder sogar sehr gut (14 %), 29 % als befriedigend und 9 % als schlecht. 42 % schätzten die Geschäftsentwicklung bis Ende 2023 als positiv ein, 13 % erwarten eine Verschlechterung, 45 % keine Veränderung. Immerhin 72 % der befragten Unternehmen rechnen für die nächsten drei bis fünf Jahre mit einer Verbesserung, nur 7 % mit einer Verschlechterung der Geschäftslage ihres Unternehmens.

Digitalisierung, KI- und Big Data-Nutzung sind die Trends in der biomedizinischen Entwicklung

Die Biotechnologie selbst befindet sich an einem wichtigen Wendepunkt - sie sieht sich großen Herausforderungen und Chancen konfrontiert. In den letzten Jahrzehnten hat sie ein enormes Wachstum erfahren und Bayern sich als einer der weltweit führenden Standorte etabliert. Dazu BioM- Geschäftsführer Prof. Dr. Ralf Huss: „Um die herausragende Position der bayerischen Biotechnologie zu halten und auszubauen, müssen wir uns den aktuellen Entwicklungen und Trends stellen: Die zunehmende Verknüpfung und Digitalisierung von Prozessen und Daten sowie der Einsatz von KI und Big Data werden für bessere und schnellere Lösungen in drängenden, medizinischen Fragestellungen sorgen und neue Diagnose- und Therapieverfahren liefern. In Bayern haben wir das nötige Rüstzeug, um gemeinsam mit allen Playern diese Entwicklung voranzutreiben.“

Bayerische Start-ups realisieren die eingeschlagene Richtung bereits mit ihren Erfolgsgeschichten: So ebnet deepc den Weg für die Anwendung von KI in der Radiologie. Seine Software-Plattform ermöglicht Kliniken und medizinischen Praxen verschiedenste KI-Anwendungen global führender Unternehmen zentral zu nutzen. m4 Award- Gewinner Invitris geht das aktuelle Problem der weltweit zunehmenden Antibiotikaresistenzen an. Dazu hat das Unternehmen eine Technologie entwickelt, die die Entwicklung und Herstellung neuer synthetischer antimikrobieller Wirkstoffe wie Bakteriophagen ermöglicht. Dabei spielen modulares Denken und modulare Technologien eine große Rolle, u.a. Maschinelles Lernen für die Produktoptimierung.

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