Paradigmenwechsel: Methanogene Mikroben nicht immer auf Methan beschränkt

"Es ist schon etwas Besonderes, ein so altes Paradigma zu kippen, nämlich, dass alle Methanogene zwingend methanogen sind"

14.01.2022 - Deutschland

Eine von Mikrobiologen der TU Dresden geleitete Studie zeigt, dass Methanogene Archaeen nicht immer Methan bilden müssen, um zu überleben. Es besteht die Möglichkeit, die Methanogenese mit dem scheinbar einfacheren und umwelttechnisch günstigeren acetogenen Energiestoffwechsel zu umgehen. Diese neuen Erkenntnisse liefern Beweise dafür, dass Methanogene nicht annähernd so stoffwechselbeschränkt sind wie bisher angenommen, und legt nahe, dass sich die Methanogenese aus dem Acetyl-CoA-Weg entwickelt haben könnte - ein wichtiger Schritt zum umfassenden Verständnis der Ökologie, Biotechnologie und Evolution von Archaeen.

Michael Rother

Der Acetyl-CoA-Weg (schwarz) und die Methanogenese (orange) in einer Methanosarcina-Zelle. Acetyl-CoA wird entweder anabolisch (grün) oder katabolisch (rot) verwendet; Kofaktoren und Enzyme sind abgekürzt, Reduktanden nicht gezeigt.

Archaeen (Archaea) sind kleine einzellige Mikroorganismen (Mikroben), die neben Bakterien und Eukaryoten eine der drei Domänen zellulärer Lebewesen bilden. Sie besitzen keinen Zellkern und gehören daher wie die Bakterien zu den Prokaryoten. Methanogene Archaeen bilden als Endprodukt ihres Energiestoffwechsels (Katabolismus) Methan, ein wichtiges Zwischenprodukt im globalen Kohlenstoffkreislauf, welches um ein Vielfaches klimawirksamer ist als Kohlenstoffdioxid. Methanogene kommen vor allem in Mooren, Reisfeldern, Gülle und im Verdauungstrakt von Wiederkäuern vor.

Bisher galt als wissenschaftlich etabliert, dass Methanogene keine alternativen Möglichkeiten der Energiekonservierung haben und daher zwingend Methan produzieren müssen. Der reduktive Acetyl-Coenzym A (Acetyl-CoA)-Weg, der zahlreiche Schritte mit der Methanogenese gemeinsam hat und in Methanogenen für die Synthese von Zellbestandteilen (Anabolismus) verantwortlich ist, könnte eine solche Alternative darstellen. Er ist nämlich der einzige Stoffwechselprozess, der sowohl beim Katabolismus, als auch beim Anabolismus beteiligt sein kann.

Prof. Michael Rother, Mikrobiologe an der Technischen Universität Dresden und sein Team haben nun zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Göttingen, Leipzig und Helsinki ein besonderes Phänomen in dem methanogenen Archaeon Methanosarcina acetivorans untersucht: Während des Wachstums auf Kohlenmonoxid (CO) bildet M. acetivorans nur wenig Methan, der zelluläre Kohlenstofffluss wird erheblich vom methanogenen Weg in Richtung Acetyl-CoA umgeleitet. Die im Acetyl-CoA-Weg erfolgende Acetat-Produktion ermöglicht direkt die Synthese von Adenosintriphosphat (ATP) durch Substratketten-Phosphorylierung.

Rother und sein Team wollten nun wissen, ob sich der Stoffwechsel des Organismus vollständig in die Acetogenese „zwingen“ lässt, also, ob die Methanogenese-Eigenschaft tatsächlich essenziell ist. Das Forscherteam war erfolgreich und selektierte am Ende eine Mutante, die ohne nennenswerte Methanbildung wächst, d.h. sich in einen Acetogen verwandelt hat. Genetische, genomische und proteomische Analysen des selektierten Stammes ergaben, dass obwohl entscheidende Komponenten der Atmungskette nun fehlten, das Enzym, das ihr Substrat (ein Heterodisulfid) erzeugt, weiterhin überlebensnotwendig war.

„Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich nur durch eine bisher unbekannte anabole - und essentielle - Rolle des Heterodisulfids erklären, die wir jetzt herausfinden müssen", sagt Prof. Rother und fügt hinzu: "Es ist schon etwas Besonderes, ein so altes Paradigma zu kippen, nämlich, dass alle Methanogene zwingend methanogen sind. Tatsächlich sind sie wahrscheinlich nicht annähernd so limitiert im Energiestoffwechsel wie bisher angenommen. Außerdem lässt die Möglichkeit, den methanogenen Stoffwechsel in den vermeintlich einfacheren acetogenen Stoffwechsel umzuwandeln, darauf schließen, dass sich die Methanogenese aus einer alten Version des Acetyl-CoA-Wegs entwickelt haben könnte."

Sollte die in M. acetivorans beobachtete Flexibilität des Energiestoffwechsels weiter verbreitet sein, als bisher angenommen, könnten sich daraus Ansätze ergeben, von Menschen verursachte Methanemissionen zu verringern, ohne diese wichtigen Organismen komplett hemmen zu müssen.

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