„Postleitzahlen“ für Geruchssensoren identifiziert

Was Geruchsrezeptoren zur Zelloberfläche bringt

22.03.2021 - Deutschland

Ein Wissenschaftlerteam um Dietmar Krautwurst vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat nun erstmals Adresscodes in Geruchsrezeptorproteinen identifiziert. Die Codes sorgen ähnlich wie Postleitzahlen dafür, dass die Sensorproteine aus dem Zellinneren gezielt zur Zelloberfläche gelangen, um dort ihre Arbeit als Duftstoffdetektor aufzunehmen. Die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, neuartige Testsysteme zu entwickeln, mit denen sich die Geruchsstoffprofile von Lebensmitteln im Hochdurchsatzverfahren analysieren und somit besser kontrollieren lassen.

C. Schranner / Leibniz-LSB@TUM

Befüllen einer 96-Well-Zellkulturplatte mit Nährmedium

Die Gene der ca. 400 menschlichen Geruchsrezeptortypen sind seit etwa 20 Jahren identifiziert. Dennoch ist für etwa 80 Prozent dieser Sensorproteine immer noch nicht bekannt, auf welche Geruchsstoffe sie reagieren. Dies zu wissen, ist aber eine wichtige Voraussetzung, um biobasierte „künstliche Nasen“ für Lebensmittelkontrollen zu entwickeln.

Zelluläre Testsysteme

Doch wie lässt sich dieses Problem lösen? Normalerweise verwenden Wissenschaftler zelluläre Testsysteme, um herauszufinden, auf welche Substanzen ein Rezeptorprotein reagiert. Ein besonderes Problem von Geruchsrezeptoren ist jedoch, dass sie oftmals im Inneren der Versuchszellen stecken bleiben und nicht zur Zelloberfläche gelangen. Selbst ein passender Duftstoff kann dann nicht an den Rezeptor andocken und ihn aktivieren. Eine Geruchsstoffzuordnung ist somit nicht möglich.

Aber warum bleiben Geruchsrezeptoren so oft in den Testzellen stecken und welche molekularen Mechanismen sind am Transport der Geruchsrezeptoren zur Zelloberfläche beteiligt? Um dazu beizutragen, diese grundlegenden Fragen zu beantworten, hat das Wissenschaftlerteam die Proteinsequenzen von 4.808 Geruchsrezeptoren aus acht verschiedenen Spezies mithilfe statistischer und phylogenetischer Analysemethoden untersucht und miteinander verglichen. Hierdurch ist es dem Team gelungen, hochkonservierte Aminosäuremotive zu identifizieren. Diese sind im jeweiligen C-terminalen Ende der Rezeptorproteine lokalisiert, das ins Zellinnere (Zytoplasma) hineinragt.

Adresscodes identifiziert

„Zusätzlich von uns durchgeführte Struktur-Funktionsanalysen weisen darauf hin, dass einzelne der identifizierten Aminosäuren und auch deren Kombination wie Adresscodes oder stark vereinfacht gesagt, wie ‚Postleitzahlen‘ fungieren“, berichtet Studienleiter Dietmar Krautwurst. „Solche Aminosäuremotive waren bisher für Geruchsrezeptoren unbekannt“, so der Biologe weiter. „Wir gehen davon aus, dass die Geruchsrezeptormoleküle über diese Motive mit zelleigenen Proteinen interagieren, welche die Sensorproteine über noch unbekannte Mechanismen zu ihrem Einsatzort an die Zelloberfläche leiten.“

Die Forschenden um Dietmar Krautwurst hoffen, dass ihre neuen Erkenntnisse dazu beitragen werden, zelluläre Testsysteme für Geruchsrezeptoren so zu optimieren, dass es bald möglich sein wird, für jeden Geruchsrezeptor die entsprechenden Duftstoffpartner zu bestimmen. Das Wissenschaftlerteam ist sich einig: Nur, wenn man die Erkennungsspektren möglichst vieler Geruchsrezeptoren kennt, wird es gelingen, biobasierte Testsysteme zu entwickeln, mit denen sich die Geruchsprofile von Lebensmittel während der Produktion sicher und schnell kontrollieren lassen.

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