Neues Echtzeit-Detektions- und Sortiersystem für lebende Zellen und Partikel

Über 700.000 Euro für Ulmer Gründer aus der Uni

13.06.2019 - Deutschland

Drei junge Physiker der Universität Ulm haben ein neues optisches Verfahren (CellMOUSE) entwickelt, mit dem sich lebende Zellen und Partikel in Echtzeit detektieren, charakterisieren und sortieren lassen. Das Verfahren, das beispielsweise in der Medizin, der Umwelttechnik oder Biotechnologie eingesetzt werden kann, ist dabei einfach, schonend und kostengünstig. Der Clou: die Daten werden bereits auf dem Sensor-Chip verarbeitet, sodass die Auswertung und Steuerung in Echtzeit möglich werden. CellMOUSE wird nun vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie von der EU über das EXIST-Forschungstransfer-Programm gefördert. Das Existenzgründer-Team, dem auch eine Betriebswirtin angehört, erhält nun mehr als 700.000 Euro, um einen marktreifen Prototyp zu entwickeln und die Unternehmensgründung vorzubereiten.

Jan Sobott / CellMOUSE

Das Gründerteam von CellMOUSE (v.l.): Jonal Pfeil, Dr. Daniel Geiger, Barbara Eberbach und Dr. Tobias Neckernuß

Jan Sobott / CellMOUSE

Mit CellMOUSE lassen sich Partikel und Zellen in Echtzeit detektieren und sortieren. Im Bild ein erster Prototyp des Geräts

Jan Sobott / CellMOUSE
Jan Sobott / CellMOUSE

Das Bestimmen, Charakterisieren und Sortieren gehört zu den Grundprinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens. Die Wissenschaftler vom Institut für Experimentelle Physik, Dr. Daniel Geiger, Dr. Tobias Neckernuß und Jonas Pfeil, haben an der Universität Ulm eine Plattformtechnologie entwickelt, die es möglich macht, sowohl Stoffpartikel als auch lebende Zellen nach Parametern wie Größe, Form, Morphologie und Geschwindigkeit zu bestimmen. Das Verfahren schafft in Flüssigkeitsströmen 3000 Partikel pro Sekunde. Ermöglicht wird dies durch einen cleveren Algorithmus, der die sehr großen Bild-Datenmengen auf genau das richtige Maß reduziert. Die Datenraten sind klein genug für die Echtzeitverarbeitung, dabei aber ausreichend groß, um alle relevanten Informationen zu erfassen. Die extrem hohe Geschwindigkeit erlaubt eine rechtzeitige Ausgabe von Steuersignalen, sodass die Partikel sortiert werden können. Der Projektname CellMOUSE steht als Abkürzung für Cellular Microfluidic Optical Universal Sensing Equipment.

Die CellMOUSE-Technologie kann insbesondere in der biomedizinischen und pharmakologischen Forschung wertvolle Dienste leisten, um bestimmte Zellarten oder -typen nach Häufigkeit zu quantifizieren oder auszusortieren. Dies gilt für Immun- oder andere Blutzellen genauso wie für Krebszellen. Mit dem Verfahren können zudem krankheitsbedingte Veränderungen der Zelle sowie pharmakologische Reaktionen erfasst werden, wenn sich diese in Form, Größe, Morphologie oder Strömungsgeschwindigkeit niederschlagen. Und auch Bakterienstämme können damit untersucht werden.

Das technologische Grundprinzip allerdings ist von der Anwendung her breit angelegt: „Im Prinzip können damit alle sichtbaren Elemente erfasst und klassifiziert werden, die optisch unterscheidbar sind, und zwar von mikroskopisch kleinen Partikeln bis zu makroskopischen Elementen wie granularen Materialien. Das eröffnet uns auch spannende Anwendungsfelder in der Industrie“, so Dr. Tobias Neckernuß. Der Experimentalphysiker ist im Projekt für die Optimierung der Messtechnik verantwortlich.

Der clevere CellMOUSE-Algorithmus senkt die Datenraten dramatisch

Dass das Projekt mit einem Förderpaket aus dem EXIST-Forschungstransfer-Programm unterstützt wird, liegt vor allem an der innovativen Grundidee des neuen Echtzeit-Detektions- und Sortierverfahrens. Das Physiker-Trio hat eine gleichermaßen trickreiche wie technisch einfach zu implementierende Hard- und Softwarelösung gefunden, die die Analysedaten direkt auf dem Sensor-Modul verarbeiten kann. „Dadurch verringert sich die zu analysierende Datenmenge im Vergleich zu herkömmlichen Hochgeschwindigkeitsvideokameras um den Faktor 1000!“, erklärt Jonas Pfeil, der im Projekt für Software und Algorithmen zuständig ist. Der speziell für CellMOUSE entwickelte Algorithmus kann unterscheiden zwischen Daten mit relevanten Informationen und dem großen Rest, der unbearbeitet bleibt. Kein Wunder also, dass das Gerät so kompakt und handlich ausfällt. Ein erster Prototyp ist bereits gebaut. „Unser System kann einfach in die bestehende Mikroskopie-Infrastruktur integriert oder an andere optische Geräte angeschlossen werden“, informiert Dr. Daniel Geiger, der sich im Team schwerpunktmäßig mit Elektronik und Hardware befasst. Das Gründerteam hat sich für eine modular aufgebaute Plattform-Technologie entschieden, die je nach Anwendung auf unterschiedliche Anforderungen zugeschnitten ist. Dazu gehört auch ein spezielles Beleuchtungsmodul für Mikroskope, das geeignete Lichtverhältnisse für die Hochgeschwindigkeitserfassung schafft.

Das EXIST-Forschungstransfer-Programm des Bundeswirtschaftsministeriums gehört zu den renommiertesten Förderlinien im Bereich Unternehmens- und Existenzgründung und richtet sich mit seinem Exzellenzansatz an den Transfer von technologisch anspruchsvollen Innovationen von der Forschung in die Wirtschaft. Mit den rund 700 000 Euro, die das Gründerteam über die achtzehnmonatige Laufzeit erhält, soll die Plattformtechnologie weiterentwickelt und ein Prototyp des Gerätes bis zur Marktreife entwickelt werden. Zu den zentralen Aufgaben der EXIST-Förderphase I gehört zudem der Aufbau eines Unternehmens. Hierfür gilt es, unter anderem ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln und einen Businessplan zu erstellen. Diese Aufgaben liegen in Hauptverantwortung von Barbara Eberbach, der Betriebswirtin im Team. Unterstützt werden die Unternehmensgründer bei Ihrer Arbeit zudem von Professor Othmar Marti, dem Leiter des Instituts für Experimentelle Physik, dem Mutterinstitut der Ausgründung. 

Besonders gefreut haben sich die Ulmer Gründer über die positive Resonanz zu ihrem Messeauftritt bei der LABVOLUTION. Die Leitmesse für den Laborbereich fand im Mai in Hannover statt. „Der Aufbau eines eigenen Unternehmens ist eine sehr anspruchsvolle Angelegenheit, aber auch sehr spannend“, sind sich die drei Physiker und die Betriebswirtin einig.

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