Deutsche Biotechnologiebranche weiter auf Konsolidierungskurs - Neuausrichtungen der Unternehmen kosten Arbeitsplätze

17.12.2004
Auch im Jahr 2004 scheint die Situation der Biotech-Branche unverändert. Es gibt positive Zeichen, doch die Konsolidierung ist noch nicht abgeschlossen. Viele Unternehmen kündigen den Abbau von Arbeitsplätzen und die Streichung von Mitteln für Produktion und Forschung an. Besonders im letzten Quartal 2004 standen Meldungen über Stellenabbau in Biotechnologieunternehmen und in der Pharmabranche vermehrt auf der Tagesordnung. So vermeldet das Biotechnologieunternehmen MWG Biotech im Oktober diesen Jahres nach einem weiteren Umsatzrückgang den Abbau von mehr als 200 Stellen. 90 deutsche Arbeitsplätze sind von den Streichungen betroffen. Dies betrifft knapp die Hälfte der in Deutschland im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter. Auch das in den roten Zahlen steckende Biotech-Unternehmen Lion Bioscience muss sparen und kündigt im November eine umfassende Neuausrichtung und einen deutlichen Stellenabbau an. Um den Weg in die Gewinnzone zu schaffen, will das Unternehmen die Geschäftsbereiche Bioinformatik und Chemieinformatik in den bereits bestehenden Tochtergesellschaften an den Standorten Cambridge in Großbritannien und Cambridge in den USA konzentrieren. Am Forschungsstandort Heidelberg wird reduziert. Insgesamt soll die Zahl der Mitarbeiter bei Lion Bioscience im Verlauf des Geschäftsjahres 2005/06 von 142 auf etwa 50 bis 70 sinken. Ferner tragen Insolvenzen zum Arbeitsplatzverlust in der Biotech-Branche bei. Beispielsweise hat MediGene im August Teile der insolventen Munich Biotech AG (MBT) übernommen. Zur Sicherung des Know-hows und eines reibungslosen Transfers kündigt das Unternehmen zwar an, Schlüssel-Mitarbeiter von MBT einzustellen, übernimmt aber keine Verbindlichkeiten der ehemaligen Munich Biotech AG. Und auch bei der mit der Biotechnologie verwandten Pharmabranche überwiegen am Jahresende die schlechten Nachrichten in punkto Arbeitsmarkt. Ende November vermeldet die Schering AG, im Rahmen seiner Umstrukturierungsinitiative "FOCUS" mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen Gespräche über den Abbau von weltweit 1.250 Arbeitsplätzen aufgenommen zu haben. Im Bereich Produktion werde damit insbesondere dem erhöhten Kostendruck durch europäische und internationale Wettbewerber Rechnung getragen, der es erforderlich mache, sich auf renditestarke Kerngebiete der Wirkstoffproduktion zu konzentrieren, hieß es zur Begründung. In Deutschland sind rund 950 Stellen betroffen. Rund 300 Arbeitsplätze werden an Standorten im Ausland abgebaut. Damit soll die im Juni 2004 angekündigte Streichung von weltweit ca. 2.000 Arbeitsplätzen weiter umgesetzt werden. Eine ebenso drastische Einsparung von Arbeitsplätzen kündigt Bayer an. Im Dezember wird bekannt, dass der Konzern seine Forschung für Medikamente reduzieren will und im Zuge des Umbaus der Pharmaforschung weltweit 560 Arbeitsplätze streichen wird. Mittelfristig soll das Forschungsbudget auf ein Niveau von 20 Prozent des Pharma-Umsatzes heruntergefahren werden. Doch es gibt auch positive Tendenzen am Life-Science-Arbeitsmarkt. Berlin-Chemie teilte im November mit, die Zahl seiner etwa 3800 Mitarbeiter bis 2008 nahezu verdoppeln zu wollen. Wie Vorstandschef Reinhard Uppenkamp der «Welt am Sonntag»Zeitung sagte, will das Unternehmen parallel zum Stellenausbau die Produktionskapazitäten am Standort Berlin mit Investitionen von 45 Millionen Euro verdreifachen. Berlin-Chemie profitiere unter anderem vom Geschäft in Osteuropa, wo die Hälfte des Umsatzes erzielt werde. Positive Schlagzeilen machte zudem der Pharmakonzern Roche. Dort werden mit dem weiteren Ausbau des Biotechnologie-Zentrums Penzberg, der Ende September begann, neue Arbeitsplätze geschaffen. Insgesamt 150 Menschen sollen hier zukünftig tätig sein. Trotz der positiven Beispiele, die Arbeitsmarktentwicklung in der Life-Science Branche zeigt sich insgesamt nach wie vor angespannt. Dennoch schätzt der Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) Prof. Peter Stadler die Entwicklung der Branche im September als hoffnungsvoll ein: "Die Situation ist zwar noch immer alles andere als rosig. Wir sehen jetzt aber Licht am Ende des Tunnels", erklärte er. Laut Stadler sprechen viele Tendenzen dafür, dass sich die Branche jetzt wieder im Aufwind befindet. So sei der Innovationsfaktor Biotechnologie für die forschenden Pharmaunternehmen sehr wichtig geworden. Mehr gentechnisch erzeugte Arzneimittel denn je befänden sich im präklinischen Entwicklungsprozess oder würden in klinischen Studien getestet. Zudem erreichten deutlich mehr Firmen die Gewinnzone, weil sie ihr Geschäft umstrukturiert hätten und statt Technologieentwicklung mehr Auftragsforschung für die großen Pharmakonzerne betrieben. Schließlich seien die Finanzmärkte der Branche wieder mehr gewogen. Dies zeigten neuerliche Börsengänge von Biotech-Unternehmen, und auch die Risikokapitalgesellschaften signalisierten als wichtige Investoren wieder mehr Vertrauen in die Biotechnologie. Ähnlich optimistisch hatten sich die Analysten von Ernst & Young im Rahmen ihres fünften deutschen Biotechnologie-Reports, der im Mai 2004 vorgestellt wurde, geäußert. Bleibt also nur zu hoffen, dass sich die deutsche Biotechnologie-Branche bald gesund geschrumpft hat. (CU)

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