DFG zeichnet Ersatzmethode zu Tierversuchen aus
Forscherinnen des Paul-Ehrlich-Instituts haben am 28. September 2016 in Bonn den Ursula M. Händel-Tierschutzpreis für ein neues Verfahren zur Testung von Botulinum-Neurotoxinen erhalten, das zukünftig belastende Tierversuche im großen Umfang ersetzen könnte.

Die Forschungsgruppe: Jolanta Klimek, Emina Wild, Ursula Bonifas, Dr. Birgit Kegel, Dr. Beate Krämer, Dr. Heike Behrensdorf-Nicol (v.l.).
PEI
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professor Dr. Peter Strohschneider, verlieh den mit 100.000 Euro dotierten Preis an Dr. Beate Krämer, Dr. Birgit Kegel und ihr Team Dr. Heike Behrensdorf-Nicol, Ursula Bonifas, Jolanta Klimek und Emina Wild von der Abteilung Veterinärmedizin am Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Die Forscherinnen haben mit der Entwicklung eines neuen In-Vitro-Testverfahrens im besonderen Maß zum Tierschutz in der Forschung beigetragen. "Ein richtungsweisender Erfolg", freut sich Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. "Das Konzept des PEI, Synergien aus Grundlagenforschung und zulassungsbegleitender Forschung zu nutzen und die Erkenntnisse in der Praxis, der Zulassung und Prüfung biomedizinischer Arzneimittel, anzuwenden, hat sich erneut bewährt."
Unter 14 eingegangenen Bewerbungen für den Preis überzeugte das Team aus dem Paul-Ehrlich-Institut die Jury, weil die Forscherinnen relevante Wirkmechanismen des Botulinum-Neurotoxin nachgebildet und damit eine große wissenschaftliche Herausforderung erfolgreich bewältigt haben. Die Entwicklung des neuen Testverfahrens trägt in besonderem Maße zum 3-R-Prinzip (Reduction, Refinement, Replacement) bei. Tierversuche in großem Umfang – betroffen sind über 600.000 Tiere im Jahr – könnten sich in Zukunft durch die Methode vermeiden lassen.
Die von Bakterien produzierten Botulinum-Neurotoxine führen bei Mensch und Tier zu Muskellähmungen. Wegen dieser Eigenschaft sind die Neurotoxine neben ihrer Anwendung in der Kosmetik ein bedeutender Wirkstoff in Medikamenten zur Behandlung vielfältiger neurologischer Erkrankungen. Vor ihrem Einsatz in medizinischen und kosmetischen Produkten müssen die Wirkstoffe standardmäßig an Mäusen getestet werden. Das neue Verfahren ermöglicht eine In-Vitro-Testung ohne Tierversuch. Der so genannte BINACLE-Test hat einen weiteren Vorteil: Er reagiert deutlich sensibler auf das Neurotoxin.
BINACLE-Test deutlich sensibler als Tierversuch
Botulinum-Neurotoxine bestehen aus zwei Untereinheiten: Eine schwere Kette bindet über Rezeptoren an Nervenzellen, eine leichte Kette spaltet enzymatisch ein Substrat und verhindert damit die Ausschüttung des Neurotransmitters Acetylcholin, was zu Muskellähmungen führt. Der entwickelte Test ahmt diesen Wirkmechanismus in-Vitro nach. Auf einer Mikrotiterplatte fixierte Rezeptormoleküle binden das Toxin, durch Reduktion wird es gespalten. Die abgetrennte leichte Kette wird auf eine zweite Testplatte gegeben. Dort spalten die Moleküle ein Substratprotein – nach Zugabe eines Antikörpers verändert sich die Farbe. Die Aktivität des Botulinum-Neurotoxins ist damit nachgewiesen.
Mit dem Preisgeld planen die Wissenschaftlerinnen eine internationale Ringstudie, um die Übertragbarkeit des Tests auf andere Labore nachzuweisen. Erst dann können die gesetzlichen Vorschriften im Europäischen Arzneibuch geändert werden. Ist das Testverfahren dort festgeschrieben, wird die Alternative zum Tierversuch zur verbindlichen Standardmethode.
Der Ursula M. Händel-Tierschutzpreis geht auf die Initiative seiner gleichnamigen Stifterin zurück. Die Düsseldorferin Ursula M. Händel (1915–2011) setzte sich über Jahrzehnte in vielfältiger Weise für den Tierschutz ein. So gründete sie unter anderem den "Bonner Arbeitskreis für Tierschutzrecht", dessen Arbeiten Eingang fanden in die Novellierung des Tierschutzgesetzes. Dem Tierschutz in Wissenschaft und Forschung besonders verbunden, stellte Händel der DFG die Mittel für den Tierschutzpreis zur Verfügung. Der alle zwei Jahre vergebene Preis soll insbesondere wissenschaftliche Forschungsprojekte auszeichnen, die dazu beitragen, die Belastung für die in Experimenten eingesetzten Tiere zu vermindern, ihre Zahl zu verringern oder sie ganz zu ersetzen.
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