Wie man trotz Stress gut lernt

Mineralcorticoid-Rezeptoren sorgen für flexible Lernstrategien

31.07.2013 - Deutschland

Wenn wir uns unter Stress neues Wissen aneignen müssen, nutzt das Gehirn eher unbewusste als bewusste Lernprozesse. Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum haben herausgefunden, dass dieser Wechsel des Lernsystems auf einer intakten Funktion der Mineralcorticoid-Rezeptoren beruht. Hormone, die die Nebennierenrinde unter Stress ausschüttet, aktivieren diese Rezeptoren. Das Team um PD Dr. Lars Schwabe vom Institut für Kognitive Neurowissenschaft berichtet gemeinsam mit Kollegen der Abteilung Neurologie des Universitätsklinikums Bergmannsheil.

Unter Stress das Wetter vorhersagen

Das Bochumer Team untersuchte 80 Probanden, von denen die Hälfte ein Medikament erhielt, das die Mineralcorticoid-Rezeptoren im Gehirn blockiert. Die übrigen Teilnehmer nahmen ein Placebo ein. Jeweils 20 Mitglieder aus jeder Gruppe wurden einem Stress auslösenden Erlebnis ausgesetzt. Anschließend absolvierten alle einen Lerntest, die sogenannte Wettervorhersage-Aufgabe. Die Probanden sahen Spielkarten mit unterschiedlichen Symbolen und mussten lernen vorherzusagen, welche Kartenkombinationen Regen ankündigen und welche Sonnenschein. Dabei zeichneten die Forscher die Hirnaktivität mit der Kernspintomografie auf.

Unbewusst oder bewusst lernen

Den Wettervorhersage-Test kann man auf zwei Arten meistern: Einige Probanden versuchen bewusst, eine Regel zu formulieren, anhand derer sie Sonnenschein und Regen vorhersagen können. Andere lernen unbewusst, quasi per Bauchgefühl, richtig zu antworten. Das Team um Lars Schwabe zeigte im August 2012, dass das Gehirn unter Stress unbewusstes Lernen bevorzugt. „Dieser Wechsel zu einem anderen Gedächtnissystem passiert automatisch“, sagt Lars Schwabe. „Es ist sinnvoll, dass der Organismus so reagiert. Auf diese Weise kann er die Lernleistung auch unter Stress aufrechterhalten.“ Das klappt aber nur mit funktionstüchtigen Mineralcorticoid-Rezeptoren. Blockierten die Forscher die Rezeptoren durch die Gabe des Medikaments Spironolacton, schwenkten die Teilnehmer seltener auf eine unbewusste Strategie um und zeigten folglich eine schlechtere Lernleistung.

Effekte auch in der Hirnaktivität sichtbar

Die Effekte traten auch in den Kernspindaten zutage. Normalerweise verschiebt Stress die Hirnaktivität vom Hippocampus – einer Struktur für das bewusste Lernen – zum dorsalen Striatum, das unbewusstes Lernen vermittelt. Dieser stressbedingte Wechsel erfolgte aber nur in der Placebo-Gruppe, nicht bei Probanden, die den Rezeptor-Blocker eingenommen hatten. Die Mineralcorticoid-Rezeptoren spielen also eine entscheidende Rolle dafür, dass das Gehirn sich an die Stresssituation anpassen kann.

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