Alge frisst Papier

Algen können Energie aus anderen Pflanzen ziehen

21.11.2012 - Deutschland

Blumen brauchen zum Wachsen Wasser und Licht: Schon Kinder lernen, dass Pflanzen Sonnenlicht nutzen, um aus Erde und Wasser Energie zu gewinnen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Bielefelder Biologen Professor Dr. Olaf Kruse haben nun eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, die zeigt, dass es auch anders geht: Sie wiesen erstmals nach, dass die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii nicht nur Photosynthese betreibt, sondern ihre Energie zum Wachsen alternativ auch aus anderen Pflanzen ziehen kann. Auch auf die Zukunft der Bioenergie könnte diese Erkenntnis großen Einfluss haben. Die Forschungsergebnisse sind im Online-Journal „Nature Communications“ der Fachzeitschrift „Nature“ erschienen.

Foto: Universität Bielefeld

Die Alge Chlamydomonas reinhardtii ist ein Einzeller - kann aber etwas, das andere Pflanzen nicht können, wie Biologen der Universität Bielefeld nachgewiesen haben.

Foto: Universität Bielefeld

Biologen der Universität Bielefeld haben Zellulose zu Grünalgenkulturen hinzugefügt und mit biochemischen und molekularbiologischen Methoden sichtbar gemacht, dass die Algen die Zellulose zu einfachen Zuckern abbauen und als Energiequelle nutzen können.

Foto: Universität Bielefeld

Kohlendioxid und Licht: Algen wachsen ohne großen Aufwand im Bioreaktor wie hier an der Universität Bielefeld. Dadurch stellen sie in der Bioenergiegewinnung eine Alternative zur umstrittenen Verwendung von Landpflanzen dar.

Foto: Universität Bielefeld
Foto: Universität Bielefeld
Foto: Universität Bielefeld

Bislang galt: Nur Würmer, Bakterien und Pilze können pflanzliche Zellulose verdauen und sie so als Kohlenstoffquelle zum Wachsen und Überleben nutzen. Pflanzen hingegen betreiben Photosynthese aus Kohlendioxid, Wasser und Licht. In Versuchen haben Professor Dr. Olaf Kruse und seine Mitarbeiter die mikroskopisch kleine Grünalgenart Chlamydomonas reinhardtii in einer Kohlendioxid-armen Umgebung aufwachsen lassen und beobachtet, dass der Einzeller in einer solchen Mangelsituation Energie stattdessen aus benachbarter pflanzlicher Zellulose ziehen kann. Dafür sondert die Alge Enzyme (sogenannte Zellulasen) ab, die die Zellulose „verdauen“ und in kleinere Zucker-Bestandteile aufspalten. Diese werden dann in die Zellen transportiert und in eine Energiequelle umgewandelt.

Die Alge kann weiterwachsen

„Dieses Verhalten ist damit erstmals für einen pflanzlichen Organismus nachgewiesen worden“, sagt Professor Kruse. „Dass Algen Zellulose verdauen können, widerspricht bisher jeder Lehrbuchmeinung. Gewissermaßen fressen Pflanzen hier Pflanzen.“ Derzeit untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob dieser Mechanismus auch auf andere Algenarten zutrifft. Erste Ergebnisse sprechen dafür.

Zukünftig könnte die „neue“ Eigenschaft der Algen auch für die Bioenergiegewinnung interessant sein. Denn der biologische Abbau pflanzlicher Zellulose ist eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Schließlich ist zellulosehaltiges Abfallmaterial zum Beispiel von Feldfrüchten in großen Mengen vorhanden – in dieser Form aber nicht für die Umwandlung zu Biotreibstoffen zu gebrauchen. Zellulasen müssen das Material erst „aufbrechen“ und aufbereiten. Derzeit werden die Zellulasen hierfür aus Pilzen gewonnen, die wiederum organisches Material benötigen, um zu wachsen. Ließen sich die Zellulasen künftig aus Algen gewinnen, könnte man sich diesen Grundstoff sparen. Denn auch wenn nun erwiesen ist, dass sie alternative Nährstoffe nutzen können, reichen ihnen im Normalfall Wasser und Licht zum Gedeihen.

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