Europäisches Forschungsprojekt zu Herzrhythmusstörungen "EUTrigTreat” mit ersten Ergebnissen

07.01.2011 - Deutschland

Elektrische Störungen des Herzrhythmus, so genannte Arrhythmien, sind häufige Erkrankungen, die Herzstillstand und plötzlichen Herztod verursachen. An den Folgen von Herzrhythmusstörungen sterben weltweit viele Menschen. Mit ein Grund dafür: Bisher sind Herzrhythmusstörungen nur schwer vorhersagbar und es gibt es bis heute keine ursächliche Behandlung. Auch sind die Mechanismen hinter diesen Erkrankungen sehr komplex und von dynamischer Natur.

Neue und grundlegende Erkenntnisse über die molekularen Ursachen von Arrhythmien haben jetzt Wissenschaftler der Universität zu Bern innnerhalb des europaweiten und von Göttingen aus koordinierten Projektes "EUTrigTreat" gewonnen. Sie arbeiten dabei zusammen mit Forschern der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und dem Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS). Die Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppen der Universität zu Bern, von UMG und MPIDS in Göttingen sowie des Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM) in Paris (Frankreich) wurden in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift "Circulation Research” veröffentlicht. Sie schlagen ein neues Krankheitskonzept bei elektrischen Herzrhythmusstörungen basierend auf der bislang nicht bekannten Trennung von Natrium-Kanälen in funktionell unterschiedliche Gruppen vor. Das Projekt "EUTrigTreat" wird seit Oktober 2009 von der Europäischen Kommission im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms mit insgesamt 12 Millionen Euro gefördert und von Prof. Stephan Lehnart aus der Abteilung Kardiologie und Pneumologie an der Universitätsmedizin Göttingen koordiniert.

Mit ihrer Grundlagenforschung folgten die Wissenschaftler neuen Erkenntnissen zu spezialisierten Poren-Proteinen in der Zellmembran der Herzzelle, so genannten Ionen-Kanälen, die eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Herzrhythmus-störungen spielen. Zunehmend werden Arrhythmien mit Ionen-Kanaldefekten oder "Kanal-Krankheiten” (Engl. channelopathies) in Verbindung gebracht. Die Berner Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Hugues Abriel untersuchte unterschiedliche Signalwege, die die Funktionen des kardialen Natriumkanals regulieren. Dieser Natriumkanal spielt unter den krankheitsverursachenden Ionen-Kanälen im Herzen eine besonders wichtige Rolle. Patienten mit Gendefekten (Mutationen) des kardialen Natriumkanals können eine Vielzahl unterschiedlicher Herzrhythmus-Störungen und Arrhythmien entwickeln.

In Herzzellen fanden die Forscher erstmals zwei unabhängig voneinander vorkommende Gruppen von Natriumkanälen. Die eine Gruppe wird durch einen Eiweißkomplex mit "Dystrophin” reguliert, die andere Gruppe  vom "Synapse-assoziierten Protein 97” (SAP97). Interessanterweise kommen die beiden Kanäle in räumlich getrennten Region der Zellmembran von Herzmuskelzellen vor.

Überraschend war für die Forscher: In intakten Maus-Herzen, denen Dystrophin fehlt, wurde funktionell die Dystrophin-assoziierte Natrium-Kanal-Gruppe beeinträchtigt. Dieser selektive Defekt war jedoch ausreichend, um elektrische Impulse im Maus-Herz stark zu verlangsamen. Ein solcher Effekt gilt allgemein als akzeptierter Mechanismus von Herzrhythmusstörungen. Somit erscheint es zum ersten Mal möglich, dass zwei verschiedene Gruppen von Natrium-Kanälen in unterschiedlichen Regionen einer Herzzelle auch unterschiedliche Funktionen und Krankheits¬mechanismen übernehmen.

"Diese Entdeckung wird Forschern und Ärzten helfen, insbesondere bei Herzerkrankungen mit Veränderungen von Dystrophin, wie der "Duchenne Muskeldystrophie", die molekularen Ursachen elektrischer Herzerkrankungen besser zu verstehen und eventuell neue und Nebenwirkungsärmere Behandlungen zu entwickeln", sagt EUTrigTreat-Koordinator Prof. Dr. Stephan Lehnart. Damit ist bereits ein wichtiges Ziel des EU-Projektes EUTrigTreat erreicht: EUTrigTreat will genetische und Umwelt-bedingte Ursachen von lebensbedrohenden Herzrhythmusstörungen aufklären und auf diese Weise auch pathophysiologisch bedeutsame neue therapeutische Ziele identifizieren.

Die Forschungsarbeiten, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, wurden gemäß der Finanzhilfevereinbarung Nr. 241526 im Zuge des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Union (RP7/2007-2013) gefördert.

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