Knorpel-Comeback

Werkstoffwissenschaftler der Universität Jena bekämpfen Arthrose und Osteoporose

18.10.2010 - Deutschland
Irgendwann erwischt es jeden. Mit zunehmendem Alter verschleißen Gelenke und Knochen. Wenn z. B. der Knorpel, der als Puffer in den Gelenken funktioniert, abgenutzt ist, hilft meist nur noch der ärztliche Griff zum Ersatzteil. Bis jetzt jedenfalls. Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena forschen gemeinsam mit Kollegen aus Italien, Frankreich, England, Deutschland und der Schweiz an einem winzigen Konstrukt, das im Gelenk implantiert die körpereigene Knorpelbildung wieder anregen soll. Das Projekt „OPHIS“ (Composite Phenotypic Triggers for Bone and Cartilage Repair) wird von der EU mit vier Millionen Euro gefördert, 350.000 Euro davon gehen an die Universität Jena. Das Projekt läuft über vier Jahre. Vor allem Arthrose- und Arthritispatienten könnten von den Erkenntnissen aus dem Projekt profitieren, denn wenn der Arzt die Krankheiten frühzeitig erkennt, kann an kleineren Schwundstellen das Knorpelwachstum wieder aktiviert werden. „Zwar gibt es solche Produkte schon auf dem Markt“, erklärt Prof. Dr. Frank A. Müller, Werkstoffwissenschaftler von der Universität Jena. „Keines davon verwächst aber aktiv mit dem darunter befindlichen Knochen. Genau da liegt die Verbesserung unseres Implantats.“ Das im Durchmesser etwa einen Zentimeter große Zelluloseimplantat ist schwammartig und verfügt über zwei unterschiedliche Oberflächen. „Durch Bioaktivierung, die mit Kalziumphosphat-Nanopartikeln an der Unterseite des Implantats erreicht wird, kann es substanziell mit dem Knochen verwachsen“, erklärt der Jenaer Professor für Oberflächen- und Grenzflächentechnologie. „Wissenschaftler eines anderen Teilprojekts im englischen Brighton tragen auf der entgegengesetzten, porösen Oberfläche des Implantats Wachstumsfaktoren auf, die die Bildung und das Einwachsen von Knorpelzellen anregen.“ Die benötigten porösen Oberflächen können die Werkstoffwissenschaftler der Universität Jena mit einem extra hierfür entwickelten Verfahren per Gefrierstrukturierung herstellen. „Dabei wird pflanzliche Zellulose in einem wasserhaltigen Lösungsmittel gelöst und anschließend mit definierter Geschwindigkeit eingefroren“, erklärt Prof. Müller. „Die Eiskristalle wachsen dadurch gerichtet entlang eines kontrollierbaren Temperaturgradienten. Danach wird die Zellulose gefriergetrocknet, so dass an die Stelle der Eiskristalle kleine Löcher - Poren - treten, da sich das Wasser vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand umwandelt. So entsteht eine definiert ausgerichtete, mikroporöse Oberfläche.“ In Jena wurde für dieses Verfahren extra eine eigene Anlage konstruiert. Neben reinen Zelluloseimplantaten werden auch Kompositmaterialien aus Zellulose und Kollagen getestet. Diese sind noch Erfolg versprechender, da das Strukturprotein Kollagen ein wesentlicher organischer Bestandteil des Bindegewebes - und damit auch der Knochen und Knorpel - ist. Zusätzlich wollen die Wissenschaftler des Forschungsprojektes Osteoporose bekämpfen. Auch hier sollen winzige Implantate den Knochenschwund aufhalten bzw. das Knochenwachstum wieder anregen. Diese Implantate bestehen aus Bakterienzellulose, die in Kooperation mit der Forschungsgruppe um Dr. Dana Kralisch am Institut für technische Chemie und Umweltchemie der Jenaer Uni entwickelt wird. „Bestimmte Bakterienstämme verwenden Glukose in ihrem Nährmedium, um Zellulose zu produzieren“, informiert der Projektleiter von der Universität Jena. „Wenn man die Produktion durch eine Schüttelbewegung der Flüssigkeit beeinflusst, entstehen kleine Kügelchen. Diese von Natur aus porösen Strukturen werden mit definierten Proteinsequenzen - sogenannten Peptiden - versehen und in den Knochen implantiert. Knochenbildende Zellen wandern ein und das Knochenwachstum wird neu stimuliert.“

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