Neuartiger Rechner für die Bioinformatik

09.07.2018 - Deutschland

Der neue Hochleistungscomputer des Exzellenzclusters Entzündungsforschung löst rechenintensive Aufgaben bis zu 4000mal schneller als herkömmliche Geräte und senkt den Stromverbrauch um bis zu 99 Prozent.

© Christian Urban, Uni Kiel

Die „Architekten“ des neuen Hochleistungscomputers für die Bioinformatik: Dr. Lars Wienbrandt (links) und Dr. Jan Christian Kässens vom Institut für Klinische Molekularbiologie der Uni Kiel und dem Exzellenzcluster Entzündungsforschung.

Ein interdisziplinäres Team des Exzellenzclusters Entzündungsforschung hat eine neuartige Rechnerstruktur speziell für Rechenoperationen in der Bioinformatik entwickelt. Damit können aufwändige Programme und Algorithmen mit bis zu 4.000facher Geschwindigkeit berechnet werden. Die Entwickler aus der Technischen Informatik und Bioinformatik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben den neuen Hochleistungscomputer nun vorgestellt. An den Kosten für die neue Hardware hat sich die Werner-Petersen-Stiftung mit 30.000 Euro maßgeblich beteiligt. Der Exzellenzcluster unterstützte das Vorgängerprojekt des Instituts für Klinische Molekularbiologie (Prof. David Ellinghaus, Prof. Andre Franke), des Instituts für Informatik (Prof. Manfred Schimmler) und der Muthesius Kunsthochschule (Prof. Frank Jacob) in den Anfangsjahren mit rund 500.000 Euro. Aufbauend auf diesen Arbeiten konnten die Wissenschaftler Dr. Lars Wienbrandt und Prof. David Ellinghaus nun Drittmittel in Höhe von 300.000 Euro bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für neue Arbeiten einwerben.

Seit die Sequenzierung des menschlichen Genoms dank neuer Technologien einfach und bezahlbar geworden ist, werden weltweit für wissenschaftliche Studien massenhaft DNA-Proben von Patienten gescannt und mit denen von gesunden Kontrollpersonen verglichen. Ziel ist es, Auffälligkeiten zu finden, die mit der jeweiligen Erkrankung in Zusammenhang stehen. Zunächst einmal produzieren diese Techniken jedoch Unmengen von Daten. Diese zu analysieren braucht Knowhow, Zeit und ausreichend Rechnerkapazitäten. „Manche Aufgaben sind jedoch mit herkömmlichen Rechnerarchitekturen praktisch kaum noch zu bewältigen und bedürfen eines leistungsfähigen Rechenzentrums“, sagt der Informatiker Dr. Jan Christian Kässens vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Uni Kiel. Mit dem Ziel, die Datenverarbeitung effizienter zu machen, haben Kässens und seine Kollegen Dr. Lars Wienbrandt und Prof. David Ellinghaus vom IKMB mit der Arbeitsgruppe Technische Informatik am Institut für Informatik der Uni Kiel zusammengearbeitet. Gemeinsam konstruierten sie ein Gerät mit spezieller Computerarchitektur, die zum Beispiel bei der Suche nach Gen-Gen-Interaktionen genauso schnell ist wie ein ganzes Hochleistungsrechencluster. Gleichzeitig benötigt der neue Rechner in der Größe eines normalen PCs sehr viel weniger Energie.

Technische Grundlage für die neue Rechnerarchitektur ist die Kombination von so genannten Field Programmable Gate Arrays (FPGAs) und Grafikkarten (GPUs). FPGAs sind Hardware-Bausteine, die auf eine spezielle Aufgabe umprogrammiert werden können und dadurch im Vergleich zu herkömmlichen Rechnern bedeutend schneller arbeiten, wie Wienbrandt in seiner Doktorarbeit zeigen konnte. Zusammen mit herkömmlichen Prozessoren entsteht so eine besonders effiziente und leistungsfähige Architektur. Seit 2013 verfolgen die Kieler Rechnerkonstrukteure die Idee zum neuen Hochleistungsrechner. Ende Dezember 2017 wurde die aktuelle, dritte Version fertiggestellt, die seitdem Aufgaben der Bioinformatik berechnet. Und das tut sie ziemlich gut, wie Kässens betont. Eingesetzt wird der Hochleistungscomputer zum Beispiel bei der Suche nach besonderen genetischen Konstellationen. So gibt es Hinweise, dass die chronisch entzündliche Hautkrankheit Schuppenflechte häufiger auftritt, wenn eine Kombination von zwei oder drei bestimmten Genvarianten vorliegt. Dreier-Kombinationen in Datensätzen von 45.000 Personen und jeweils 5.700 Genorten zu identifizieren, gelang der Kieler Neuentwicklung in Rekordzeit. „Ein herkömmlicher Computer benötigt hierfür etwa 6,5 Jahre, unser Rechner schafft das Gleiche in 2,5 Tagen“, sagt Kässens stolz. „Mir sind zwar einige wenige Ansätze von solchen Computern bekannt, jedoch keiner, der diese Leistung erbringen kann.“ Dabei spart die Maschine enorm viel Strom ein. So verbrauchte das neue Gerät nur 60 kWh für die o.g. Berechnung statt der 40.000 kWh bei herkömmlichen Geräten. Bei einem Strompreis von 30 Cent/kWh sind das Stromkosten von 18 Euro gegenüber 12.000 Euro.

Jetzt arbeitet das Kieler Team daran, das System als Dienstleistung externen Fachleuten insbesondere dem Deutschen Netzwerk für Bioinformatik Infrastruktur (de.NBI) und der entsprechenden Europäischen Organisation ELIXIR zur Verfügung zu stellen. Dafür wird eine Schnittstelle im Internet eingerichtet. Die benutzerfreundliche Bedienoberfläche hierfür stammt aus der bewährten Cluster-Kooperation mit Professor Frank Jacob und seinem Team von der Muthesius Kunsthochschule Kiel.

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