Weshalb sich ein Physiker für Pantoffeltierchen und Spermien interessiert

Holger Stark erforscht die ausgeklügelten Mechanismen, mit denen sich Mikroorganismen fortbewegen

20.02.2008

Er interessiert sich für Pantoffeltierchen, Spermien und Bakterien, für Zahnbelag und den Abtransport von Schleim aus der Lunge. Nichts Besonderes für einen Biologen oder Mediziner, aber Holger Stark ist weder Biologe noch Mediziner, sondern Physiker.

"Was mich an Pantoffeltierchen und Spermien interessiert, ist deren Fortbewegung als Mikroorganismen", sagt Holger Stark (44), Professor am Institut für Theoretische Physik der TU Berlin. Fortbewegung sei ein zentraler Bestandteil jeglicher Form von Leben, und was der Mensch darüber wisse, sei durch seine Erfahrung in der makroskopischen Welt geprägt. "Doch ein Großteil des Lebens auf der Erde ist durch Mikroorganismen bestimmt und finde in wässriger Umgebung statt. Die Natur hat ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, mit denen sich Bakterien und Spermien in wässriger Lösung fortbewegen oder mit denen sich auf Mikrometerskala Flüssigkeit transportieren lässt wie zum Beispiel der Abtransport von Schleim in der Lunge", erklärt Holger Stark.

Ein tieferes Verständnis der physikalischen Grundlagen dieser Mechanismen, so Holger Stark, also auch der physikalischen Beschreibung der Schwimmbewegung von Mikroorganismen ermögliche es, zum Beispiel in der Medizintechnik mikroskopische Maschinen zu bauen, die mit entsprechendem Antrieb in den menschlichen Gefäßsystemen Reparaturarbeiten verrichten können. Mit der Physik dieser Antriebsmechanismen beschäftigt sich Holger Stark. Er spannt damit den großen Bogen von der Grundlagenforschung zur Anwendung seiner wissenschaftlichen Arbeit.

In einem Aufsatz für das Physik-Journal hat Stark die Fortbewegung eines solchen künstlichen Schwimmers auf der Mikrometerskala jüngst beschrieben, den eine Forschergruppe aus Paris und von der Harvard-Universität entwickelt hatte. "Dieser Schwimmer ahmt die Schlagbewegung von Flagellen nach - das sind aus Proteinen zusammengesetzte elastische Fasern, die durch interne molekulare Motoren angetrieben werden. Zum Beispiel bewegen sich Spermien mit ihrer Hilfe fort. In der Lunge wird mit ihnen Schleim transportiert", sagt Holger Stark. Biomimetische Systeme werden solche Modelle genannt, die Erscheinungen in der Biologie imitieren. Seine Untersuchungen haben aufgezeigt, unter welchen Bedingungen sich der mikroskopische Schwimmer optimal fortbewegt. Optimal heißt dabei, eine möglichst große Schwimmgeschwindigkeit bei gleichzeitig hoher Effizienz der Energieausbeute.

"Des Weiteren wollen wir uns mit den Fortbewegungsmechanismen der im menschlichen Verdauungstrakt vorkommenden 'Escherichia coli'-Bakterien und den die Schlafkrankheit hervorrufenden Parasiten, den afrikanischen Trypanosomen, beschäftigen, ebenso mit Biofilmen, wie sie zum Beispiel als Zahnbeläge vorkommen und von miteinander kommunizierenden Bakterien gebildet werden, deren hoch organisierte Netzwerke noch kaum untersucht sind", sagt Stark und ergänzt: "All diese Projekte sind Teil langfristig angelegter Forschungen, die die Hydrodynamik von Mikro- und Nanomaschinen beinhalten."

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