Dynamisches Duo auf der DNA - Neuer Mechanismus der Genregulation entdeckt

15.11.2007

Wie entsteht aus genetischer Information ein Protein? Zunächst muss ein Gen, also ein spezifischer DNA-Abschnitt, abgeschrieben werden. Das dafür zuständige Enzym RNA-Polymerase II kann die so genannte Transkription aber nicht alleine initiieren. Erst wenn an der Startsequenz des Gens, am Promoter, mehrere Hilfsfaktoren einen Komplex gebildet haben, bindet auch das Enzym. Bislang wurde die Initiation der Transkription als statischer Prozess gesehen, bei dem Transkriptionsfaktoren an einer Stelle binden und wieder loslassen. Ein Forscherteam um Privatdozent Don C. Lamb vom Department für Chemie und Biochemie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Professor Michael Meisterernst vom GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit konnte jetzt aber eine unerwartete Dynamik nachweisen.

Wie sie berichten, kann der "Negative Cofaktor 2 (NC2)" das "TATA-Box bindende Protein (TBP)" auf Promotoren entlang der DNA in Bewegung setzen. Diese Bewegung von TBP entlang der DNA impliziert neue Möglichkeiten, Promotoren zu erreichen oder aber sie zu räumen. In den Versuchen wurden Proteine des Menschen und die von Hefe untersucht - möglicherweise ist die Beweglichkeit von TBP also eine Eigenschaft aller Eukaryonten, also der Organismen, die - anders als Bakterien - einen Zellkern besitzen.

Ausgangspunkt der Transkription ist der Promoter, eine kurze DNA-Sequenz, die in der Regel ein kleines Stück vor dem eigentlichen Gen liegt. Die Promoter in den Zellen höherer Organismen enthalten meist einen kleinen Abschnitt, der aus den DNA-Bausteinen Thymidin und Adenin besteht, die TATA-Box.

TBP bindet im Vergleich zu anderen DNA-bindenden Proteinen auf ungewöhnliche Weise an die TATA Sequenz, wodurch der DNA-Strang stark verbogen wird. Dieser "Knick" in der DNA ermöglicht überhaupt erst die Komplexierung mit anderen generellen Transkriptionsfaktoren. "Wir konnten zeigen, dass sich TBP völlig anders verhält, sobald NC2 bindet", so Lamb. "Die Ergebnisse unserer Einzelmolekülanalysen weisen darauf hin, dass die DNA zwischen einer gestreckten und geknickten Konformation hin- und herspringt, nachdem NC2 an den TBP-TATA-Komplex gebunden hat." Die Autoren postulieren, dass diese Dynamik es TBP überhaupt erst ermöglicht, die TATA-Box zu verlassen. Bei der Bewegung entlang der DNA hilft sehr wahrscheinlich die bereits mittels Strukturanalysen nachgewiesene Ringform von NC2 und TBP an der Erbsubstanz.

Bisherige Modelle sahen die Transkriptionsinitiierung als einen statischen Prozess an, bei dem TBP und andere Faktoren an den Promotor binden, um schließlich wieder zu dissoziieren, wenn RNA-Polymerase II beginnt, an der DNA entlang zu wandern. Das Entfernen von TBP eröffnet neue positive sowie negative Regulationsmöglichkeiten. "Das dynamische Verhalten von TBP im Komplex mit NC2 auf der Erbsubstanz verändert unsere Vorstellungen von der Initiation der Transkription. Es eröffnen sich viele neue Möglichkeiten zur Regulation der Gene", erläutert Meisterernst. "TBP wird einerseits verschoben und damit aktuell aus dem Verkehr gezogen, andererseits bleibt es in der Nähe und damit verfügbar. Eine Konsequenz könnte sein, dass TBP durch die Bewegung erst die optimale Position erreicht." Aber auch andere vorstellbare Konsequenzen werden in der Publikation diskutiert. "Welche Mechanismen letztlich an welchem Gen eine Rolle spielen, diesen Fragen werden wir uns in Zukunft in Zusammenarbeit mit den Biophysikern widmen", kündigt Meisterernst an.

Originalveröffentlichung: Peter Schluesche, Gertraud Stelzer, Elisa Piaia, Don C. Lamb & Michael Meisterernst; ""NC2 mobilizes TBP on core promoter TATA boxes"; Nature Structural and Molecular Biology 2007.

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