Vom unabhängigen Leben in Dunkelheit

Neues DFG-Projekt widmet sich Mikroorganismen, die im Tiefenwasser der Ostsee ohne Licht und Sauerstoff autotroph leben können

12.02.2007

Ob an Land oder im Meer - ein Leben unabhängig von Licht, Sauerstoff und "Nahrung", ist nur den ganz kleinen Organismen möglich. Bedingt durch ihre geringe Größe entzogen sich die Mikroorganismen lange Zeit einer eingehenden Untersuchung. Erst mit der Entwicklung molekularbiologischer Methoden lassen sie sich allmählich besser erkennen und verstehen. Die Mikro- und Molekularbiologen der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Klaus Jürgens vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde sind diesen Organismen schon seit einigen Jahren auf der Spur. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wird ihre Arbeit nun in den nächsten 2 Jahren mit zusätzlichem Fördergeld unterstützen.

Das Leben in den Tiefenbecken der zentralen Ostsee steckt für Mikrobiologen voller Faszination. Dort wo kein Licht mehr hingelangt, in sauerstofffreiem und sulfidischem Wasser leben Bakterien, die es schaffen, trotz absoluter Dunkelheit erhebliche Mengen an Kohlendioxid zu fixieren und damit zu wachsen. Anstelle der Photosynthese nutzen sie die so genannte Chemosynthese - sie ziehen aus lichtunabhängigen chemischen Reaktionen die Energie zum Aufbau organischer Substanz.

Bereits vor 15 Jahren gab es erste Hinweise, dass sich hinter diesen autotrophen Organismen Bakterien verbergen könnten, die ihre Energie aus der Sulfidoxidation und Nitratreduktion gewinnen. Insbesondere die Nitratreduktion, die so genannte Denitrifizierung, ist eine Leistung, denn in der stark überdüngten Ostsee sorgt die Denitrifizierung dafür, dass zumindest ein Teil des "Düngemittels" Nitrat dem Kreislauf wieder entzogen wird.

Inzwischen konnte diese Theorie der Denitrifizierung durch autotrophe Bakterien bestätigt und ein für diesen Prozess verantwortlicher Schlüsselorganismus molekularbiologisch identifiziert werden. Im Jahr 2006 gelang es schließlich dem Warnemünder Mikrobiologen Dr. Matthias Labrenz aus der Arbeitsgruppe Jürgens, zusammen mit seinen Mitarbeitern erstmals dieses Bakterium zu kultivieren. Es bekam von ihnen den spröden Namen "GD1" (Gotland Deep Nr. 1).

Obwohl mit der Identifizierung seiner Schlüsselfunktion bei der Denitrifizierung ein wichtiger Schritt erfolgt ist, gibt der Organismus noch viele Rätsel auf. Daher wird mit Nachdruck daran gearbeitet, seine weiteren Fähigkeiten und Möglichkeiten besser kennen zu lernen. Finanziert durch die Gordon and Betty Moore Foundation lassen die Warnemünder Mikrobiologen seit letzten Sommer am amerikanischen Craig-Venter-Institute die Genom-Sequenzierung des Gotlandtief-Organismus durchführen. Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen arbeiten sie an der Analyse des Genoms, in Kooperation mit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald soll das Proteom von GD1 untersucht werden.

Besonders überraschend und fast schon "mysteriös" ist es für die Forscher allerdings, dass gerade in Wasserschichten unterhalb des Hauptlebensraumes von GD1, in Bereichen, die nicht nur Sauerstoff- sondern auch Nitratfrei sind, die mikrobiellen Kohlendioxid-Fixierungsraten um ein Vielfaches höher sind. Es ist zurzeit noch fraglich, welche Organismen oder Prozesse dafür verantwortlich sein könnten. Mit dem neuen DFG-Projekt will man "Licht" ins Dunkel bringen. Ist es vielleicht sogar GD1, der, obwohl zahlenmäßig geringer vertreten als in den höheren Wasserschichten, hier - ohne Nitrat - aktiver ist? Oder wird er durch andere, noch unbekannte Bakterien abgelöst? Die Antwort soll durch einen kombinierten Einsatz von Gensonden, 14CO2 und 13CO2-Fixierungsversuchen sowie Genexpressionsanalysen aus den fraglichen Wasserschichten gefunden werden.

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