Programm zur Vorhersage von Genen im Erbgut von Tieren und Pflanzen entwickelt

25.02.2016 - Deutschland

Die Evolution hilft bei der Bestimmung von Genen in komplexen Organismen: Biologen und Bioinformatiker des Julius Kühn-Instituts (JKI) Quedlinburg und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben ein neues Programm entwickelt, mit dem sich die Positionen von Genen im Erbgut von Tieren und Pflanzen besser vorhersagen lassen. Dazu nutzen sie Erkenntnisse über die Evolution von Genstrukturen.

Das Erbgut von Pflanzen und Tieren zu analysieren und die Position einzelner Gene zu bestimmen, ist ein komplexer Prozess. Modellorganismen, wie die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), sind das Untersuchungsobjekt vieler Forschergruppen weltweit. Entsprechend detailliert ist auch das Wissen über ihr Genom, die darin kodierten Gene und deren Varianten. "Für frisch sequenzierte Genome müssen jedoch zunächst Gene annotiert werden, also deren Lage durch Computerprogramme vorhergesagt und anhand der Ähnlichkeit zu bekannten Genen eine wahrscheinliche Funktion zugeordnet werden", erklärt Dr. Jan Grau, der in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Stefan Posch am Institut für Informatik der MLU arbeitet.

Um das Erbgut entsprechend beschreiben zu können, arbeiten die Forscher mit speziellen Computerprogrammen. Die Software durchsucht dabei das neu sequenzierte Erbgut nach Regionen, die sehr ähnlich mit bereits bekannten Genen sind. "Dieser Ansatz wird seit vielen Jahren in der Bioinformatik eingesetzt und ist besonders erfolgversprechend bei sogenannten proteinkodierenden Genen, die die Blaupause für Proteine und Enzyme darstellen", so Grau.

Das Problem in höher entwickelten Organismen ist aber, dass die Gene im Erbgut nicht immer zusammenhängend vorliegen. "Immer wieder werden die relevanten Gen-Abschnitte, so genannte Exons, durch Teilabschnitte unterbrochen, die für Kodierung von Proteinen keine Rolle spielen", erklärt Dr. Jens Keilwagen vom JKI Quedlinburg. Diese nicht kodierenden Abschnitte werden auch Introns genannt. "Die Gene liegen also zum Teil in mehrere Abschnitte unterteilt vor, was es Computerprogrammen mitunter erschwert, diese korrekt zu erkennen", so Keilwagen weiter.

Die Forschergruppe von MLU und JKI hat dafür nun einen neuen Lösungsansatz entwickelt: Sie wollten mit Hilfe der Position der Introns zwischen den Exons eines Gens die Genauigkeit der Genvorhersage verbessern. Die Idee dazu lieferte der Quedlinburger Biologe Dr. Frank Hartung: "Für eine spezielle Gruppe von Genen fanden wir, dass die Lage der Introns über Spezies-Grenzen hinweg erstaunlich ähnlich, also evolutionär stark konserviert ist. Wir hatten die Vermutung, dass dahinter ein allgemeines Prinzip liegt, das für eine korrekte Genvorhersage hilfreich sein könnte."

Der Bioinformatik-Student Michael Wenk überprüfte in seiner Bachelor-Arbeit die Nützlichkeit dieser Idee für die Genvorhersage. Da die ersten Ergebnisse vielversprechend waren, entwickelte die Forschergruppe eine Software, mit der Wissenschaftler Genome nach gut erforschten Genen durchsuchen können. Das Programm sucht dazu nach ähnlichen Abschnitten für jedes Exon eines Gens, wobei die Treffer jedoch weit über das Genom verstreut liegen können. "Um das aufzulösen, haben wir einen effizienten Algorithmus entwickelt, der uns diese Treffer plausibel zusammenbaut. Das heißt, dass die Exons in der richtigen Reihenfolge und auf dem Genom nicht zu weit voneinander entfernt liegen. Außerdem sollten möglichst alle Exons in der entsprechenden Region auch wiedergefunden werden", erklärt Keilwagen. Im Praxistest haben die Forscher ihre neue Software mit anderen Programmen verglichen. Dazu haben sie unter anderem Daten der halleschen Pflanzenphysiologen Dr. Martin Schattat und Jessica Erickson verwendet, die für die Tabakpflanze Nicotiana benthamiana erhoben wurden. Das Ergebnis: Das neue Programm kann eine größere Anzahl von Genen genauer vorhersagen als andere Programme. "Wir haben mit dem neuen Programm sogar Gene gefunden, die andere Annotationsversuche übersehen haben", berichtet Schattat.

Die Forscher haben ihr neues Programm mit dem Namen "GeMoMa" als frei zugängliche Open-Source-Software veröffentlicht. Damit ist es für Forscher weltweit verfügbar.

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