Rätsel um kuriose Planctomyceten gelöst

Lehrmeinung über fehlende Zellwand bei ungewöhnlichen Bakterien widerlegt

13.05.2015 - Deutschland

Planctomyceten sind weltweit vorkommende, sehr außergewöhnliche und bisher wenig erforschte Bakterien. Seit den frühen neunziger Jahren gehen Forscher davon aus, dass Planctomyceten keine typische Bakterienzellwand aus Peptidoglycan besitzen. Wissenschaftler am Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig konnten nun mit modernsten Methoden nachweisen, dass Planctomyceten, anders als erwartet, doch eine Zellwand aus Peptidoglycan besitzen. Die Forschungsarbeiten wurden in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck Institut für Biochemie (Martinsried), der Eberhard Karls Universität Tübingen und dem Helmholtz Institut für Infektionsforschung durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Online-Journal Nature Communications veröffentlicht.

Jogler et al., Nature Communications

Kryoelektronenmikroskopische Rekonstruktion einer Planctomyceten-Zelle. Tomographische Schicht einer dreidimensional (3D) rekonstruierten Zelle im gefrorenen Zustand, in der die äußere und innere Membran (a) sowie nach Mittelung über viele Zellwandausschnitte die dazwischen liegende Peptidoglycanschicht (b) zu erkennen ist. In der eingefärbten 3D-Rekonstruktion ist die Peptidoglycanschicht orange dargestellt (c). Die kryoelektronenmikroskopischen Untersuchungen wurden im Rahmen einer Kooperation mit Harald Engelhardt und Margarete Schüler am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried durchgeführt.

Planctomyceten geben der Wissenschaft viele Rätsel auf und wurden bei ihrer Entdeckung im Jahre 1924 sogar für Pilze gehalten. Erst in den 1970er Jahren wurden sie als Bakterien erkannt. Schnell wurde aber klar, dass sie sich von allen anderen Bakterien unterscheiden. „Planctomyceten nehmen eine Sonderstellung im Reich der Bakterien ein und sind in mehrfacher Hinsicht einzigartig“, informiert Dr. Christian Jogler, Leiter der Nachwuchsforschergruppe „Mikrobielle Zellbiologie und Genetik“ an der DSMZ. „Diese Bakterien kombinieren Eigenschaften verschiedener Organismen in sehr ungewöhnlicher Weise. Sie vermehren sich durch Knospung analog Hefen und und eine außergewöhnliche Zellkompartimentierung durch Membranen, wie hochentwickelte tierische oder pflanzliche Zellen, wurde beschrieben. Zudem ging man bisher von einer fehlenden Zellwand aus, was Hypothesen stützte, die die Planctomyceten als potentielle Vorfahren komplexer eukaryotischer Zellen diskutierten.“

Olga Jeske, Doktorandin an der DSMZ im Team von Dr. Christian Jogler ist nun eine sehr überraschende Entdeckung gelungen. Sie konnte nachweisen, dass Planctomyceten doch eine Zellwand aus Peptidoglycan besitzen und damit gram-negativen Bakterien sehr ähnlich sind. In enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Max-Planck Institutes für Biochemie (Martinsried), der Eberhard Karls Universität Tübingen und des Helmholtz Institut für Infektionsforschung kamen dabei modernste Methoden wie hochauflösende Mikroskopie, Massenspektroskopie und biochemische Nachweisverfahren zum Einsatz.

„Die Entdeckung einer Zellwand aus Peptidoglycan stürzt die in den Lehrbüchern noch vorherrschende Lehrmeinung, dass sich Planctomyceten substanziell von anderen Bakterien unterscheiden“, ordnet Dr. Christian Jogler die wissenschaftliche Entdeckung ein. „Man findet solch eine Zellwand normalerweise bei allen frei lebenden Bakterien als Schutz vor Umwelteinflüssen.“

Die Ergebnisse der deutschen Forscher werden von einer parallel erscheinenden unabhängigen Studie um Prof. Dr. Laura van Niftrik und Dr. Boran Kartal der Radboud-Universität Nijmegen zusätzlich bestätigt. Die niederländischen Wissenschaftler haben mit unterschiedlichen Methoden an anderen planctomycetalen Modellorganismen die gleichen Ergebnisse erzielt. „Noch müssen weitere Untersuchungen abgewartet werden, aber die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Planctomyceten wahrscheinlich nicht als Vorfahren komplexer eukaryotischer Zellen in Frage kommen“, sagt Dr. Christian Jogler.

„Wir sind sehr stolz, dass diese wichtigen wissenschaftlichen Ergebnisse an der DSMZ in einer unserer Nachwuchsforschergruppen erzielt wurden “, betont Prof. Dr. Jörg Overmann, Direktor der DSMZ. „Wir werden auch weiterhin Forschung mit neuester Spitzentechnologie fördern. Planctomyceten sind bedeutsam für die globalen Stickstoff- und Kohlenstoff-Zyklen. Zudem produzieren sie eine Reihe von Naturstoffen, die das Potential für neue Medikamente haben könnten.“

Originalveröffentlichung

Jeske, O. et al. Planctomycetes do possess a peptidoglycan cell wall. Nat. Commun. 6:7116 (2015).

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