Genetische Lesezeichen programmieren Krebszellen
Göttinger Krebsforscher definieren Wirkmechanismus zur Kontrolle der Zelldifferenzierung.
O. Karpiuk
Die neu gewonnen Erkenntnisse könnten dabei helfen, die Therapie von Krebs und Osteoporose langfristig zu verbessern. Die Ergebnisse der Studie sind in der Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift "Molecular Cell" veröffentlicht. Erstautorin ist Oleksandra Karpiuk, Doktorandin des Master/PhD-Programms Molecular Biology und Stipendiatin des Dorothea Schlözer-Programms der Georg-August-Universität Göttingen.
Umbauprozesse der Zelle entdeckt
Stammzellen sind besondere Zellen im Körper, die sich zu verschiedenen Geweben entwickeln können. In welche Art von Gewebe sich die Zelle umwandelt, wird zum einen durch die Gene gesteuert und zum anderen durch bestimmte Eiweiße. Schon frühere Studien der Arbeitsgruppe zeigten, dass ein bestimmtes genetisches Lesezeichen, eine chemische Veränderung des Proteins Histon 2B, bei fortschreitender Krebserkrankung in den Tumorzellen entfernt wird (Prenzel, et al., Cancer Research 2011, 71:5739-5753). Jetzt fanden die Forscher heraus, dass dieselbe Veränderung eine Rolle in der Weiterentwicklung von Stammzellen spielt. Wie ein Lesezeichen führt es dazu, dass sich eine zunächst "unbeschriebene" Zelle, eine Stammzelle, zu einer Knochen- oder Fettzelle entwickelt. Das bedeutet: Die gleichen Veränderungen am Chromatin, die aus Stammzellen differenzierte Zellen entstehen lassen, werden während der Entstehung bösartiger Tumoren verhindert. Die Tumorzellen nehmen die Eigenschaften einer Stammzelle an und werden dadurch bösartig. Das Lesezeichen erscheint während der Entwicklung von Stammzellen, geht aber in Tumorzellen wieder verloren. Diese Vorgänge sind wesentlich für Erkrankungen wie Krebs oder Osteoporose.
Internationale Zusammenarbeit
Prof. Dr. Steven A. Johnsen, Leiter der Studie, hat im Göttinger Zentrum für Molekulare Biowissenschaften (GZMB) ein internationales Team zusammengestellt, um die Zusammenhänge der Zelldiffenzierung zu erforschen. An der Studie beteiligt waren Forscher der Universitätsmedizin Göttingen, der Göttinger Max-Planck-Institute und der süddänischen Universität in Odense.
"Diese einzigartige chemische Veränderung von Histon 2B könnte eine allgemeine Eigenschaft differenzierter Zellen sein", sagt Prof. Dr. Steven Johnsen. "Tumorzellen müssen offenbar diese Lesezeichen erst loswerden, um wirklich gefährlich zu werden. In Göttingen haben wir die Basis für unsere künftige Forschung geschaffen", betont Johnsen. "Sowohl in Hamburg als auch in Göttingen werden die Ergebnisse vertieft. Ich freue mich auch in Zukunft auf die Zusammenarbeit mit den Göttinger und Hamburger Kollegen." Professor Johnsen hat zum 1. Mai 2012 eine Professur am Institut für Tumorbiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf angetreten.