Darm-Mikrobiom verhindert gefährliche Immunreaktion

Bestimmte Bakterien-Zusammensetzung schützt nach Stammzelltherapien

10.01.2024
Sebastian Jarosch, Dirk Busch / TUM

Darmgewebe während einer Graft-versus-Host-Reaktion: Die gespendeten Zellen (rot) greifen den Körper der erkrankten Person an.

Nach Stammzelltransplantationen kann es passieren, dass die gespendeten Immunzellen den Körper der Patient:innen angreifen. Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) haben herausgefunden, dass diese „Graft versus Host-Reaktion“ deutlich seltener auftritt, wenn im Darm bestimmte Mikroben vorhanden sind. In Zukunft könnte man diese schützende Zusammensetzung des Mikrobioms vielleicht gezielt herbeiführen.

Stammzelltransplantationen können bei Krebserkrankungen wie Leukämie Leben retten. Nach ungefähr der Hälfte aller Transplantationen kommt es aber zu Graft versus Host-Reaktionen. Diese verlaufen gewissermaßen umgekehrt zu Abstoßungsreaktionen nach Organspenden: Die gespendeten Zellen attackieren den Körper der Patient:innen, beispielsweise den Verdauungstrakt.

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass die Mikroben im Darm eine Rolle dafür spielen, ob dies eintritt. Ein Team um Dr. Erik Thiele Orberg, Forschungsgruppenleiter an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Klinikums rechts der Isar der TUM, Ernst Holler, Senior-Professor für allogene Stammzelltransplantation am UKR, und Prof. Hendrik Poeck, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des UKR, schildert im Fachmagazin „Nature Cancer“, wie das Darm-Mikrobiom zusammengesetzt sein muss, um Schutz zu bieten.

78 Patient:innen begleitet

Die Forschenden untersuchten dafür Stuhlproben von 78 Patient:innen an den beiden Universitätsklinika und begleiteten diese in den zwei Jahren nach der Stammzelltransplantation. Daraus entwickelten sie einen Risikoindex, mit dem sich die Gefahr einer Abstoßungsreaktion angeben lässt. „Wir haben dabei nicht Bakterien gezählt, sondern gemessen, in welcher Menge bestimmte Metabolite vorhanden sind, Stoffwechselprodukte, die von den Mikroben gebildet werden“, sagt Erik Thiele Orberg.

Diese sogenannten IMMs, kurz für Immuno-modulatory Microbial Metabolites, beeinflussen das Immunsystem und die Regenerationsfähigkeit des Körpers. „Bemerkenswert ist, dass nicht nur Stoffwechselprodukte von Bakterien für eine positive Prognose wichtig sind", sagt Dr. Elisabeth Meedt, Ärztin am UKR und Co-Erstautorin. „Wir konnten zeigen, dass auch bestimmte Viren im Darm, die Bakteriophagen, hier eine Rolle spielen – allein das ist ein beeindruckender Einblick in die komplexe Welt unseres Darms.“

Bessere Prognose bei niedrigem Mikrobiom-Score

„Patient:innen mit einem niedrigen IMM-Risikoindex hatten eine größere Überlebenswahrscheinlichkeit, zeigten seltener Graft-versus-Host-Reaktionen und erlebten weniger Rückfälle“, sagt Hendrik Poeck. Die Metabolite werden vor allem von Bakterien der Familien Lachnospiraceae und Oscillospiraceae unter Mitwirkung der Bakteriophagen gebildet.

Heilungschancen aktiv steigern

Im nächsten Schritt wollen die Forschenden an der TUM und am UKR die Heilungschancen von Patient:innen nicht nur prognostizieren, sondern aktiv verbessern. „Mit Stuhltransplantaten, deren Zusammensetzung präzise kontrolliert wird, könnten spezifische Konsortien aus Bakterien und Bakteriophagen im Darm angesiedelt werden“, sagt Hendrik Poeck. „In den kommenden Jahren wollen wir herausfinden, ob wir Graft-versus-Host-Reaktionen und Rückfälle auf diese Weise verhindern können.“ Erste Versuche an Mäusen sind bereits erfolgreich verlaufen. Daher könnte das Verfahren auch in klinischen Studien mit menschlichen Patient:innen erprobt werden.

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