Bauernhofschutz: Antiallergischer Effekt des Kuhmilch-Proteins BLG

Das Milchprotein findet sich auch in Stallstaub und Umgebungsluft, und kann zum Schutz vor Asthma und Allergien beitragen

21.03.2022 - Österreich

Zahlreiche Studien belegen, dass Kinder, die im bäuerlichen Umfeld geboren wurden und dort aufwachsen, zu einem hohen Prozentsatz vor Asthma, Allergien und Neurodermitis geschützt sind. Besonders positiv wirkt sich der Rinderstall aus. Die dort vorhandenen speziellen Bakterien und deren Bestandteile sind wichtige Schutzfaktoren. Doch gibt es auch einen Schlüsselfaktor, der speziell für die antiallergischen Eigenschaften der Rinderställe und Kuhmilch verantwortlich ist? Forscher:innen des interuniversitären Messerli Forschungsinstituts in Wien haben in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Arbeitsgruppen nach noch unentdeckten Molekülen gesucht – und ein essenzielles Protein gefunden.

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Symbolbild

Eine andere Art der Pandemie präsentiert sich aktuell hinsichtlich allergischer und asthmatischer Erkrankungen, die in den letzten Dekaden beim Menschen und seinen Haustieren stetig angestiegen sind, und erst langsam ein Plateau zu erreichen scheinen. Was zum Schutz vor Allergien beitragen kann, ist das Leben am Bauernhof, verbunden mit Kontakten zu unterschiedlichen Mikroben und deren Bestandteilen in Stallluft, Heu, Staub und Einstreu. Doch nicht jede Art von Bauernhof schützt gleich gut. Besonders positiv wirken sich Kuhställe aus. Um sie herum dürfte es eine Art Allergie-Schutzglocke (bis zu einem Radius von etwa 300 Metern) geben. Zudem scheint das Trinken von unverarbeiteter, natürlicher Rohmilch das Allergierisiko zu senken.

Auf Spurensuche

Isabella Pali-Schöll, Immunologin und Ernährungswissenschafterin im Team um Erika Jensen-Jarolim am Messerli Forschungsinstitut, einer gemeinsam Einrichtung der Vetmeduni, der MedUni Wien sowie der Universität Wien, hat dies auf die Fährte gebracht: Gibt es einen Schlüsselfaktor beim Bauernhofschutz gegen Allergien, der sowohl im Umfeld von Kühen als auch in deren Milch vorkommt?

Als heißer Kandidat hat sich das Milchprotein Beta-Lactoglobulin (BLG) herauskristallisiert. BLG macht einen großen Teil des Eiweißes der Molke aus und erfüllt eine Trägerfunktion für Mikronährstoffe wie Eisen, Vitamine und Fettsäuren. Die Forschungsgruppe konnte bereits zeigen, dass BLG das Immunsystems beruhigt, sobald es mit Mikronährstoffen (Eisen, Zink, Vitamin A) komplexiert ist. Ansonsten kann es Allergien auslösen.

„Kuh“ler Effekt

Nach detektivischer Suche wurden die Forscher:innen tatsächlich auch im Bauernhofmilieu fündig: BLG war in großer Menge im Stallstaub hauptsächlich von Rinderställen nachweisbar, und wurde von dort sogar bis in die Betten der Bewohner getragen. Wird diese Stallluft eingeatmet, gelangt BLG also in den Körper. Aber das BLG alleine ist es nicht: detaillierte Untersuchungen zeigten, dass BLG im Stallstaub an Zink gebunden ist. Bei Zink handelt es sich um ein Element, welches im Immunsystem einige wichtige Rolle spielt.

„Wir vermuteten, dass die Verteilung von BLG dem Schutzglocken-Muster folgt“, erklärt Erst- und korrespondierende Autorin Pali-Schöll, „und haben daher an verschiedenen Standorten um einen Kuhstall herum Luft über Filter angesaugt, und die gesammelten Proben auf das Protein untersucht. Tatsächlich konnten wir es in abfallender Konzentration bis fast 300 Meter um den Stall herum messen“.

Doch wie gelangt das ansonsten aus der Milch bekannte Protein in derart großen Mengen in den Stallstaub? Um dieser Frage nachzugehen, sammelten die Wissenschafter:innen Urinproben von Rindern und analysierten diese. Tatsächlich konnte BLG im Rinderurin, sowohl bei weiblichen als auch männlichen Tieren, nachgewiesen werden. Um den antiallergischen Effekt von Beta-Lactoglobulin abzubilden, verabreichten die Expert:innen Mäusen Kuhstallstaub in Form von Nasentropfen. Enthielt der Staub BLG, wurde die Allergieantwort der Nager unterdrückt. Hingegen konnte BLG-freier Staub eine allergische Immunantwort nicht verhindern.

Laut den Forscher:innen zeigte  sich der Schutzeffekt nicht nur gegenüber dem Milchallergen, sondern auch gegenüber einem Allergen aus der Birke. Es handelt sich demnach um einen allgemeinen Schutzeffekt, unabhängig gegen welches Allergen.

Die Forschungsarbeit von Isabella Pali-Schöll und Kolleg:innen stellt einen wichtigen Meilenstein in der Aufklärung des Bauernhof-Schutzeffektes dar. Die Ergebnisse tragen auch dazu bei, die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Anwendung bei allergischen Patient:innen zu bringen. Weitere Forschung soll die unterschiedlichen Einflussfaktoren aufdecken: Möglicherweise entscheiden die Haltungsbedingungen, der Stress- und Gesundheitszustand sowie die Fütterung der Rinder darüber, ob das Milchprotein seinen Beitrag zum Schutz vor Allergien und Asthma leisten kann.

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