Start-up auf dem Weg zum Coronamedikament

So neutralisiert der humane Antikörper COR-101 SARS-CoV-2

09.12.2020 - Deutschland

Weil SARS-CoV-2 ein neuartiges Virus ist, haben viele Menschen noch keine Antikörper gegen den Erreger gebildet. Impfstoffe können zwar Gesunde schützen, aber bereits an Covid-19 erkrankte Menschen nicht heilen. Auch spricht nicht jeder Mensch auf die Impfung an. Hier können die Antikörper zur Therapie von Erkrankten oder zur passiven Immunisierung von Gesunden angewendet werden. Die CORAT Therapeutics GmbH entwickelt ein solches Medikament gegen das SARSCoV-2-Virus auf Basis von menschlichen Antikörpern, die mit biotechnologischen Methoden, also im Reagenzglas erzeugt werden. Besonders vielversprechend ist dafür der Antikörper COR-101. Diese Ergebnisse, die Struktur dieses Antikörpers sowie die Geschichte seiner Entwicklung im Labor von Professor Michael Hust und Professor Stefan Dübel von der Technischen Universität Braunschweig zusammen mit der YUMAB GmbH wurden jetzt veröffentlicht.

CORAT Therapeutics

Wirkmechanismus von COR-101: Die Bindungsstelle des biotechnologisch hergestellten vollständig menschlichen Antikörpers COR-101 (grün) auf der Virusoberfläche ist nahezu identisch mit der zum menschlichen Rezeptor ACE2 (blau), der Andockstelle des Coronavirus an unser Gewebe. Wenn COR-101 gebunden ist, kann sich das Virus gar nicht erst mithilfe seiner Spike-Struktur (rot) an unsere Zellen anheften, um sie zu infizieren, wodurch seine Vermehrung verhindert wird.

COR-101 ist ein durch biotechnologische Methoden hergestellter vollständig menschlicher Antikörper von der Art, wie ihn unser Körper normalerweise selbst nach einer Infektion oder Impfung bildet. Zusammen mit Joop van den Heuvel und Thomas Klünemann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung wurde die atomare Struktur der Bindung zwischen dem Antikörper COR-101 und dem SARS-CoV-2 Spike Protein aufgeklärt. Die Ergebnisse zeigen, dass COR-101 auf der Oberfläche des Virus großflächig und mit sehr hoher Bindungsstärke genau jene Bindungsstelle blockiert, welche der Virus zum Andocken an menschliche Zellen benötigt. Dadurch kann der Virus nicht mehr in die Zellen eindringen und sich darin vermehren.

"Wir wissen, dass ein Impfstoff nicht bei jedem einzelnen Menschen funktioniert, dies wird besonders bei älteren Menschen beobachtet. Zudem gibt es Patientinnen und Patienten mit anderen Erkrankungen, welche nicht geimpft werden können. Leider haben gerade diese beiden Personengruppen in der Regel auch ein höheres Risiko, an COVID-19 zu erkranken" sagt Dr. Andreas Herrmann, Geschäftsführer der CORAT Therapeutics, und erklärt: "Hier soll unser Antikörper COR-101 helfen. Da COR-101 die essentielle  Kontaktstelle zwischen Virus und unserem Körper permanent besetzt, kann das Virus seine "Spike"-Proteine nicht mehr nutzen, um uns zu infizieren. Deshalb erwarten wir, dass COR-101 all jenen helfen kann, die bereits an COVID-19 erkrankt sind, deren Immunsystem aber die notwendige Immunantwort nicht rechtzeitig selbst in Gang setzen kann. Wir werden aber auch prüfen, ob COR-101 sowohl medizinisches Personal als auch Risikogruppen vor einer Infektion schützen kann". Herrmann betont außerdem, dass COR-101 auch mittlerweile bereits aufgetretene Virusvarianten ("Mutationen") erkennen und neutralisieren kann.

Dank der Entwicklung eines neuartigen, stark beschleunigten Produktionsprozesses konnte bereits COR-101 für klinische Studien nach Arzneimittelstandards bereitgestellt werden. Der Beginn solcher Studien ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Dazu betont Dr. Herrmann: "Im Gegensatz zu den sich derzeit in der Prüfung befindenden Impfstoffen benötigt unser Anti-Corona-Medikament keine ausgeklügelte Tiefkühllogistik. Antikörper sind sehr stabile und robuste Moleküle. Schon vor einem Jahrhundert trugen Ärzte wochenlang ungekühlt Fläschchen mit Antikörpern in ihren Taschen mit sich herum, um sie beispielsweise für den Einsatz gegen Tetanus oder Diphtherie immer bereit zu haben. Wir erwarten also eine sehr viel einfachere und günstigere Logistik für die Verteilung von COR-101 als für RNA-Impfstoffe".

Warum brauchen wir Antikörper-Medikamente gegen COVID-19 zusätzlich zu Virus-Impfstoffen?

Unser Körper stellt normalerweise selbst Antikörper her, um Viren wie SARS-CoV-2 zu bekämpfen. Dies geschieht entweder nach einer natürlichen Infektion oder nach einer Impfung. Antikörper sind die Polizisten unserer Blutbahn und können eindringende Viren buchstäblich greifen und aus dem Verkehr ziehen, sodass es nicht zu einer stärkeren Infektion kommt. Bei Patientinnen und Patienten mit Vorerkrankungen und älteren Menschen ist die Bildung der notwendigen Antikörper aber oftmals verlangsamt oder nicht mehr möglich. Dann sind sie auch nach einer Impfung nicht geschützt. Ihnen kann dann jedoch durch Gabe geeigneter Antikörper von außen geholfen werden, welche die Viren dann sofort bekämpfen können. Solche Antikörpergaben nennt man "passive Immunisierung" und sie sind seit mehr als hundert Jahren als lebensrettende Behandlung in der Medizin bekannt, zum Beispiel gegen Tetanus und Diphtherie. Aufgrund der generell sehr guten Verträglichkeit von Antikörpern, die ja körpereigene Stoffe sind, dürfen heute bereits Antikörper gegen andere "Lungenviren" sogar zum vorbeugenden Schutz von herzkranken Kindern und frühgeborenen Babys eingesetzt werden. Antikörper sollen deshalb all jenen helfen, die bereits infiziert sind oder bei denen die Impfung nicht wirkt. Bei den bisher berichteten Effizienzdaten der SARS-CoV-2 Impfstoffe zwischen 70% und 95% wären von der gesamten Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen zwischen 350 Millionen und zwei Milliarden durch eine Impfung gar nicht zu schützen. Auch sie könnten jedoch mit Antikörper-Medikamenten wie COR-101 vor schwerem oder tödlichem Verlauf von COVID-19 bewahrt werden.

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