Gene von fünf Menschen in zwei Tagen präsentiert

17.03.2010 - USA

(dpa)­ Binnen zweier Tage im März haben Forscher große Teile des Erbguts von gleich fünf Menschen vorgestellt ­ mitsamt der darin enthaltenen, krankheitsauslösenden Mutationen. In einem Fall wurde zum ersten Mal das Genom einer ganzen Familie entziffert, um die genetischen Krankheiten der beiden Kinder aufzuschlüsseln. Im zweiten Fall suchte der US-Genetiker James Lupinski von der New York University in der eigenen DNA nach der genetischen Ursache seines Leidens. Bei diesem Morbus Charcot-Marie-Tooth wird die Weiterleitung von Nervenimpulsen gestört. Er präsentiert die Arbeit im «New England Journal of Medicine». Die Kosten lagen bei nur rund 5.000 Euro pro Genom.

Vater und Mutter der analysierten Familie sind genetisch gesund. Sohn und Tochter hingegen leiden beide unter gleich zwei genetischen Krankheiten: Dem sehr seltenen Miller-Syndrom, das mit Fehlbildungen des Gesichts und der Gliedmaßen einhergeht und der Primären Ciliäre Dyskinesie (PCD). Das ist eine Krankheit, bei der unter anderem die Bewegung der Flimmerhärchen in den Atemwegen gestört ist. Lungenprobleme sind die Folge. Diese Ergebnisse stehen im Journal «Science».

Sequenziert wurde die Familie vom Biotech-Unternehmen Complete Genomics im kalifornischen Mountain View. Die Firma hat ein automatisiertes Verfahren entwickelt, mit dem sich vollständige Genome in kurzer Zeit lesen lassen. Vorstandschef Clifford Reid kündigte an, 2010 insgesamt 10.000 menschliche Genome zu entziffern. Die Firma baut nach eigenen Angaben das weltgrößte Sequenzierzentrum dieser Art.

In einem Editorial des «New England Journal of Medicine» erläutert Richard Lifton von der Yale University School of Medicine den Fortschritt: «Als die Sequenzierung des ersten menschlichen Genoms geplant wurde, kostete das Lesen von 1 Million Basen 100.000 Dollar. Das parallele Sequenzieren hunderter Millionen DNA-Abschnitte hat die Kosten für 1 Million Basen unter 1 Dollar gedrückt.» Bereits jetzt sei abzusehen, dass die Preise weiter fallen, schreibt Lifton.

Die Genetiker haben eine weitere Möglichkeit, sich beim Sequenzieren viel Geld und Zeit zu sparen. Die rund 23.000 Gene des Menschen umfassen nur etwa 1 Prozent des Genoms; auf dem Rest liegt keine Bauanleitung für Proteine. Zudem ist recht genau bekannt, wie der Anfang und das Ende eines Gens aussehen. Computer erkennen diese typischen Sequenzen sehr genau. Für viele aussagekräftige Resultate müssen also gar nicht alle 3,2 Milliarden Bausteine gelesen werden, so wie es beim Referenzgenom des Human Genome Project der Fall war.

«Es wird zunehmend klar, dass die Kosten schnell jenen Grenzwert erreichen, in dem das Sequenzieren der DNA ein routinierter Teil der Diagnostik wird», resümiert Lifton. Dadurch werden sich aber auch drängende Fragen stellen, heißt es in dem Medizinjournal: In welchem Lebensalter soll das Genom sequenziert werden? Wie soll man Patienten die Resultate mitteilen, ohne bei ihnen seelische Schäden auszulösen?

Die DNA der ganzen Familie wurde unter Leitung des Instituts für Systems Biology in Seattle entziffert. Neben den genetischen Krankheiten konnten weitere Fehler bei der Weitergabe der Erbinformation von Generation zu Generation untersucht werden. Ergebnis: Es treten in jedem neuen menschlichen Genom rund 70 neue Mutationen auf. Bislang gingen Experten davon aus, dass jeder Elternteil etwa 75 Mutationen - insgesamt als rund 150 - an seine Kinder weiterreicht.

Nach der Sequenzierung des Familien-Erbguts fahndeten schnelle Computer nach den Unterschieden zu anderen Genomen. Eltern, Kinder und Ärzte wissen nun bis ins letzte Detail um die Mutationen. Die Genetiker beziffern die Kosten für die Analyse eines Genoms auf umgerechnet rund 3.500 bis 7.000 Euro.

Die Suche in der DNA von Professor James Lupinski (zum Zeitpunkt der Analyse 32 Jahre alt) verlief nach dem gleichen Prinzip. Sein Erbgut wurde mit dem SOLiD-System von Applied Biosystems rund 30 Mal gelesen. Dabei zeigten sich sowohl in seiner mütterlichen als auch in der väterlichen Variante des Gens SH3TC2 eine Mutation. Nun ist bekannt, an welcher Stelle die Defekte liegen: Zum einen ist Genbaustein 148402474 betroffen, zum anderen Genbaustein 148368628.

In beiden Fällen handelt es sich um vergleichsweise einfache Nachweise, weil je Krankheit ja nur eine Erbanlage beteiligt ist. Bei anderen Leiden ­genannt seien Krebs, Parkinson, oder Diabetes ­ sind viele Gene beteiligt. Beide Arbeitsgruppen weisen darauf hin, dass es in solchen Fällen ungleich schwerer wird, die Ursache zu finden.

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