Mehr Erkenntnisse aus Gewebeproben gewinnen

Forscherteam zeigt Vorteile der HOPE-Fixierungsstrategie auf

10.04.2014 - Deutschland

Eine neue Methode, Patientengewebe für Untersuchungen aufzubereiten, könnte bald zum Standard werden. Das empfehlen Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des Forschungszentrums Borstel in ihrer aktuellen Veröffentlichung im Journal of Proteome Research. Sie haben herausgefunden, dass durch die sogenannte HOPE-Methode Gewebeproben so aufbereitet werden können, dass sie die Bedürfnisse der klinischen Histologie erfüllen und trotzdem später durch moderne Methoden der Proteomik, die die Gesamtheit aller Proteine untersucht, charakterisiert werden können. Dies gelingt, da die Struktur des Gewebes so „fixiert“ wird, dass die Eiweißmoleküle für die systematische Analyse zugänglich bleiben. So erfüllt die Technik die heutigen Anforderungen an die personalisierte Medizin und eröffnet neue Möglichkeiten in der Erforschung von Krankheiten und ihren Therapien.

TU Braunschweig/Zelluläre Infektionsbiologie

Mit Legionellen infiziertes menschliches Lungengewebe, wie es Ärzte bei der Legionärskrankheit beobachten. Das Gewebe wurde durch HOPE fixiert.

HOPE steht für „Hepes-glutamic acid buffer mediated Organic solvent Protection Effect“ und ist eine Methode, um Gewebeproben für spätere Untersuchungen zu konservieren.

Der Blick durchs Mikroskop auf eine Gewebeprobe verrät dem Wissenschaftler oder Pathologen sehr viel über den Gesundheitszustand des Patienten. Um das Gewebe zu konservieren, werden die entnommenen Proben üblicherweise mit Formalin fixiert, in wachsartiges Paraffin eingebettet und in hauchdünne Scheiben geschnitten. Diese werden eingefärbt und ermöglichen es dem geübten Auge, Gewebestrukturen zu unterscheiden sowie Diagnosen und Prognosen zu erstellen.

Der Nachteil dieser Proben ist allerdings, dass Formalin die in der Zelle vorhandenen Eiweißmoleküle, die Proteine, miteinander vernetzt. Dadurch können sie nur schwer analysiert werden. Um solche Untersuchungen dennoch durchführen zu können, benötigten Wissenschaftler bisher schockgefrorene Proben – die wiederum für die histologische Begutachtung am Mikroskop ungeeignet sind. „So konnten wir bisher nicht den genauen Zustand des untersuchten Gewebes mit den Ergebnissen der Proteomik in Verbindung setzen“, sagt HZI-Forscher Prof. Lothar Jänsch. „Dies ist jedoch eine wichtige Voraussetzung, um Proteine als Biomarker, also als Indikator für bestimmte Krankheiten, oder neue Wirkstoffziele zu erkennen.“

Gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Forschungszentrum Borstel, der LungenClinic Grosshansdorf, der Technischen Universität Braunschweig und der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften hat Jänsch jetzt gezeigt, dass die Behandlung von Gewebe mit der HOPE-Technik alle Vorteile gängiger Fixiermethoden vereint. Die Proben werden dabei mit einem organischen, Formalin-freien Puffer und Aceton behandelt und anschließend von Paraffin umhüllt.

Das Forscherteam verglich schockgefrorenes und HOPE-behandeltes Lungengewebe aus Patienten. Im Gegensatz zu den schockgefrorenen Proben konnte die HOPE-Fixierung die Gewebestrukturen bewahren und Lungenbläschen blieben beispielsweise gut sichtbar. Anschließend nutzten die Forscher die Massenspektrometrie, um im Gewebe vorhandene Proteine zu charakterisieren. Das daraus abgeleitete Proteom sagt bereits viel über den Gesundheitszustand des Gewebes aus. Die Wissenschaftler gingen noch einen Schritt weiter und untersuchten zudem das sogenannte Phosphoproteom, also die Gesamtheit aller Protein-Moleküle, die in der Zelle gerade „an- oder ausgeschaltet“ sind. Zu wissen, welche Proteine aktiv sind, trägt zur Diagnose von Krankheiten bei und kann helfen, Angriffsziele für neue Medikamente zu finden. Die Ergebnisse sind vielversprechend: Die HOPE-Methode bewahrt nicht nur die Struktur der Gewebe, sondern ist für die Proteomik und die Phosphoproteomik genauso geeignet ist wie das Schockgefrieren von Gewebe.

„Aufgrund unserer Ergebnisse empfehlen wir HOPE als Fixierungsstrategie für Kliniken und Biobanken, die sich an der Verbesserung von Diagnose und Therapien beteiligen“, sagt Jänsch.

Das Forscherteam wendet diese Erkenntnis bereits auf seine Forschung an der Legionärskrankheit an, eine durch Bakterien hervorgerufene Infektionskrankheit, die mit einer Lungenentzündung einhergeht. Hier besteht eine enge Kooperation mit Dr. Torsten Goldmann vom Forschungszentrum Borstel. „Wir konnten bereits ein Infektionsmodell der menschlichen Lunge etablieren. Jetzt wissen wir, dass die HOPE-Technik dieses Modell auch für Analysen des Proteoms und des Phosphoproteoms zugänglich macht“, sagt Prof. Michael Steinert, Koordinator eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts zu diesem Thema. „Bei den Proteomanalysen erkennen wir aktuell bereits deutliche Unterschiede in den Geweben verschiedener Spender und beginnen, den individuellen Infektionsprozess der Legionärskrankheit besser zu verstehen.“ So wird HOPE seinem Namen gerecht und gibt begründeten Anlass zur Hoffnung auf neue Erkenntnisse in der Erforschung, Diagnose und Therapie von Krankheiten.

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